Lohnpfändung in der Verbraucherinsolvenz

(Anmerkung zum Urteil des BAG v. 20.07.2023, 6 AZR 112/23)

§ 89 Abs. 1 InsO ordnet ein Vollstreckungsverbot für Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren an. Absatz 2 dieser Vorschrift ordnet das Gleiche für Pfändungen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens z. B. in Lohnansprüche des Schuldners an. Wie ist zu verfahren, wenn die (gesamten) Ansprüche des Insolvenzschuldners bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gepfändet wurden? Zu unterscheiden ist schließlich zwischen den nach der Zivilprozessordnung unpfändbaren und den pfändbaren Teilen des Arbeitsentgelts.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) löst den Fall über die Pfändungsvorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der monatlichen Arbeitslohnansprüche erfolgte i. S. d. § 89 Abs. 1 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens. Der betreffende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss war zwar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugestellt worden. Da dieser sich aber auf künftige Arbeitslohnforderungen bezieht, wird er jeweils erst mit Entstehen des monatlichen Anspruchs auf Arbeitslohn wirksam. Erst zu diesen Zeitpunkten wird jeweils das Pfandrecht für die künftigen Arbeitslohnansprüche begründet.

1. Die Zustellung des Pfändungsbeschlusses hat die sog. Verstrickung der gepfändeten Forderungen bewirkt. Juristen sprechen davon, dass durch die Verstrickung ein “öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis über die gepfändete Forderung“ entsteht. Der Schuldner kann nun nicht mehr mit Wirkung gegen den Pfändungsgläubiger über die Forderung verfügen (sog. Inhibitorium). Gleichzeitig darf der Arbeitgeber in unserem Fall nicht mehr an den Schuldner zahlen (sog. Arrestatorium). Nach herrschender Meinung vermag das Arrestatorium unpfändbare Forderungen gegen den Arbeitsgeber ebenso wenig zu erfassen wie Freibeträge auf einem Pfändungsschutzkonto (s. Hergenröder DGVZ 2021, 101). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die unpfändbaren Anteile des Arbeitslohns an den Arbeitnehmer-Schuldner auszahlen darf und muss.

2. Nach Meinung des BAG (und des BGH) soll das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO jedoch die öffentlich-rechtliche Verstrickung unberührt lassen. Lediglich der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei während der Dauer des Insolvenzverfahrens schwebend unwirksam. Mit dem Bestehenlassen der Verstrickung will die Rechtsprechung erreichen, dass der Pfändungsgläubiger nicht seinen pfändungsrechtlichen Rang verliert. Der betreffende Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird also rangerhaltende ausgesetzt, sodass das Pfändungspfandrecht (für die Dauer des Insolvenzverfahrens) vorübergehend nicht entsteht. An einer Stelle seiner Entscheidung behauptet das BAG dann, dass auch die Verstrickung für die Dauer und Zwecke des Insolvenzverfahrens beseitigt sei. Dieser seltsame Widerspruch ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die Lösung der Bundesgerichte keine Grundlage im geschriebenen Recht findet.

Im Ergebnis bedeutet das, dass die Pfändung des Pfändungsgläubigers im Insolvenzverfahren dergestalt ins Leere geht, dass an den Insolvenzschuldner die unpfändbaren Anteile seines Arbeitslohns ausgekehrt werden und die pfändbaren Anteile in die Insolvenzmasse fallen. Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Ergebnis auch für den Fall bestätigt, dass die die Forderung, wegen derer der Pfändungsgläubiger die Pfändung betreibt, aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert. Zu erwähnen bleibt noch, dass die vorbeschriebenen Grundsätze auch im Restschuldbefreiungsverfahren über das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO Anwendung finden.