Zulässigkeit einer Gebühr für Sondertilgungsrecht in Verbraucherdarlehensvertrag

 

BGH, Urteil v. 16.02.2016, XI ZR 96/15
Leitsatz:
a) Die in einen Verbraucherdarlehensvertrag einbezogene formularmäßige Bestimmung einer laufzeitunabhängigen "Gebühr" von 4 Prozent des Darlehensbetrags für ein dem Darlehensnehmer unter Verzicht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung eingeräumtes Sondertilgungsrecht verstößt gegen § 502 Abs. 1 BGB, von dem nach § 511 Satz 1 BGB zum Nachteil des Verbrauchers nicht abgewichen werden kann.
b) Zur Rechtslage bei Vorliegen einer Bereichsausnahme nach § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB oder eines Immobiliardarlehensvertrags nach § 503 Abs. 1 BGB. (amtlicher Leitsatz)

Entscheidung:
Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse auf Zahlung einer bei Auszahlung eines Wohnraumförderdarlehens einbehaltenen "Gebühr" in Höhe von 800,- € in Anspruch.

Die Beklagte gewährte dem Kläger im Dezember 2011 aus Mitteln des Förderprogramms Nr. 141 ("Wohnraum-Modernisieren-Standard") der Kreditanstalt für Wiederaufbau (im Folgenden: KfW) ein Darlehen in Höhe eines Nennbetrags von 20.000,- € zu einem Zinssatz von nominal 2,4% p.a. unter Festschreibung der Konditionen bis zum 31. Dezember 2021 (nachfolgend: Förderdarlehen). In Ziffer 2.2 des Darlehensvertrags heißt es:

"Es wird eine laufzeitunabhängige Gebühr (Abzug vom Nennbetrag des Darlehens) von 4,000 v.H. erhoben. Diese kann grundsätzlich bei Auszahlung des Darlehens verrechnet werden. Sie wird bei vorzeitiger Rückzahlung nicht - auch nicht teilweise - erstattet."

Nach Ziffer 9 des Darlehensvertrags gelten für das Förderdarlehen die der Darlehensurkunde beigehefteten "Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite - Verhältnis Hausbank - Endkreditnehmer -" der KfW (nachfolgend: AB-EKn). Dort lautet es u.a.:

"4. Berechnung von Kosten und Auslagen Die Kreditbearbeitungs- und Verwaltungskosten des unmittelbar refinanzierten Kreditinstituts sowie der Hausbank sind mit dem Zinssatz und den von der KfW gezahlten programmabhängigen Bearbeitungsgebühren abgegolten, ... Die Hausbank ist berechtigt, dem Endkreditnehmer folgende Kosten gesondert zu berechnen, sofern sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kreditgewährung stehen, konkret nachweisbar sind und dem Kreditnehmer gegenüber spezifiziert werden: ... 5. Rückzahlung (1) ... Soweit bei der Auszahlung ein Abzug vom Nennbetrag des Kredites erfolgt, handelt es sich bei dem Abzugsbetrag um eine von der KfW geforderte, laufzeitunabhängige Gebühr, die im Fall einer vorzeitigen Tilgung des Kredites nicht erstattet wird. (2) Kredite mit einer Auszahlung von 100 % können nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig an die Hausbank zurückgezahlt werden, es sei denn, es wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Kredite mit einer Auszahlung von weniger als 100 % können während der ersten Zinsbindungsfrist jederzeit unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von 10 Bankarbeitstagen ganz oder teilweise vorzeitig an die Hausbank zurückgezahlt werden. ..."

Mit seiner Klage begehrt der Kläger wegen des bei Valutierung des Förderdarlehens einbehaltenen Abschlags die Zahlung von 800,- €. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hält die Revision für begründet. Der Kläger hat einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB.

Der Kläger hat den Abzugsbetrag vom Nennbetrag des Förderdarlehens im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB an die Beklagte geleistet hat. Das Entgelt, das im Darlehensnennbetrag enthalten ist, wird mit dem entsprechenden Einbehalt des Kreditinstituts sogleich im Wege der internen "Verrechnung" an dieses geleistet. Es liegt eine einvernehmlich bewirkte Verkürzung des Leistungswegs vor.

Bei der angegriffenen Regelung in Ziffer 2.2 des Förderdarlehensvertrags handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Revisionsrechtlich ist on der Vereinbarung eines Verbraucherdarlehens auszugehen ist. Die Klausel mit der Bestimmung einer Gebühr von 4% des Darlehensnennbetrags weicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von Rechtsvorschriften ab und ist damit einer Inhaltskontrolle anhand des § 307 Abs. 1 und 2 BGB unterworfen.

Unter die Inhaltskontrolle fallen grundsätzlich weder bloß deklaratorische Klauseln noch solche, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen. Kontrollfähig sind aber Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - XI ZR 66/13, BGHZ 199, 281 Rn. 12 und vom 27. Januar 2015 - XI ZR 174/13, WM 2015, 519 Rn. 9).

Die Klausel enthält eine von Rechtsvorschriften abweichende Preisregelung. Sie ist damit der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unterworfen. Da keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen wurden, ob der Darlehensvertrag die Voraussetzungen der Bereichsausnahme nach § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB erfüllt oder gemäß § 503 Abs. 1 BGB als Immobiliardarlehensvertrag anzusehen ist, ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass die für Verbraucherdarlehensverträge geltenden Regelungen Anwendung finden.

Die streitige Klausel regelt ein Entgelt für ein dem Kläger unter Verzicht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung eingeräumtes Sondertilgungsrecht (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26. Mai 2015 - 10 O 9729/14, [...] Rn. 23 ff.; Kropf, BKR 2015, 60, 64; Weber, WM 2016, 150, 152).

Nach den vorformulierten Bestimmungen in Ziffer 5 Abs. 2 AB-EKn können Förderkredite, die zu 100% ausgezahlt werden, grundsätzlich nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig zurückgezahlt werden. Der Auszahlungsabschlag in Höhe von 4% ist insgesamt als Entgelt für ein dem Kläger unter Verzicht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung eingeräumtes Sondertilgungsrecht anzusehen.

Ein Verbraucher ist aber nach § 500 Abs. 2 BGB in der seit dem 11. Juni 2010 geltenden Fassung berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus einem Verbraucherdarlehensvertrag jederzeit ganz oder teilweise zu erfüllen. Hiervon darf zu seinem Nachteil nicht abgewichen werden (§ 511 BGB).

§ 502 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB bestimmt in der seit dem 11. Juni 2010 geltenden Fassung hinsichtlich der Höhe der vom Verbraucher zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung u.a., dass diese 1% des vorzeitig zurückgezahlten Betrags nicht überschreiten darf. Die vom Darlehensnehmer nach § 500 Abs. 2 BGB im ungünstigsten Fall zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung ist damit stets geringer als der von der Beklagten nach den Darlehensbedingungen vorliegend einbehaltene Abzugsbetrag in Höhe von 4% des gesamten Darlehensnennbetrags.

Zudem fällt nach der beanstandeten Klausel dieses Entgelt auch dann an, wenn der Kläger von dem Sondertilgungsrecht keinen Gebrauch macht, während nach § 502 Abs. 1 BGB der Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung nur verlangen kann, wenn die Darlehensvaluta tatsächlich vorzeitig zurückgezahlt wird. Dies unterwirft die Klausel gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle.

Weiter benachteiligen Allgemeine Geschäftsbedingungen, die zum Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, diesen mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - XI ZR 66/13, BGHZ 199, 281 Rn. 10, vom 27. Januar 2015 - XI ZR 174/13, WM 2015, 519 Rn. 17). Danach ist die streitige Entgeltklausel bei dem hier revisionsrechtlich zu unterstellenden Verbraucherdarlehensvertrag unwirksam, da sie gegen § 502 Abs. 1 BGB verstößt, von dem nach § 511 Satz 1 BGB zum Nachteil des Verbrauchers nicht abgewichen werden kann.

Unabhängig davon ist die streitige Entgeltklausel nach § 134 BGB unwirksam, da sie dann gegen nach §§ 511, 502 Abs. 1 BGB (halb-)zwingendes Recht verstößt. Da von § 502 Abs. 1 BGB nach § 511 Satz 1 BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf, ist die Klausel nach § 134 BGB nichtig (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 28. Juli 2015 - XI ZR 434/14, WM 2015, 1704 Rn. 42 mwN).

Da tatsächliche Feststellungen erforderlich sind, ob § 500 Abs. 2 und § 502 Abs. 1 BGB auf das vorliegende Darlehen anzuwenden sind, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist deswegen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird, sofern ein Verbraucherdarlehen vorliegt, insbesondere zu klären haben, ob die Voraussetzungen der Bereichsausnahme des § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB erfüllt sind, da tatsächliche Feststellungen fehlen, die eine Einordnung des Darlehens in die Zinsstatistik erlauben. Sollten die Voraussetzungen von § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB nicht vorliegen, werden Feststellungen dazu zu treffen sein, ob § 500 Abs. 2 und § 502 Abs. 1 BGB nicht anwendbar sind, weil es sich um ein grundpfandrechtlich besichertes Darlehen im Sinne des § 503 Abs. 1 BGB handelt. Kann sich danach der Kläger nicht auf § 500 Abs. 2 und § 502 Abs. 1 BGB berufen, wird das heute in der Parallelsache XI ZR 454/14 verkündete Senatsurteil zu berücksichtigen sein.