Gläubigerbenachteiligung bei Pfändung noch abzurufender Darlehensmittel

BGH, Beschluss v. 03.12.2015, IX ZR 131/15
Leitsatz:
Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn ein Konto von dem Gläubiger gepfändet wird, ein Pfändungspfandrecht jedoch erst dadurch entsteht, dass der Schuldner einen ihm eröffneten Kontokorrentkredit abruft (Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09 , WM 2012, 1401 Rn. 21 f). (amtlicher Leitsatz)

Gründe:
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.

1. Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben, soweit das beklagte Land eine Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) in Abrede stellt. Die Überweisung des Schuldners aus dem ihm eingeräumten Kontokorrentkredit hat eine Gläubigerbenachteiligung ausgelöst, weil die von dem beklagten Land erwirkte Kontopfändung kein insolvenzfestes Absonderungsrecht begründete.

Der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens ist mit dessen Abruf pfändbar (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 - IX ZR 157/06, WM 2008, 168 Rn. 14). Vor dem Abruf des Kontoinhabers ist kein Anspruch auf Auszahlung gegen die Bank vorhanden, der einem Abtretungs- oder Pfändungsgläubiger das Recht geben könnte, sich ohne Mitwirkung des Kontoinhabers Kreditmittel auszahlen zu lassen ( BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 - IX ZR 39/03 , BGHZ 157, 350, 356 ). Das Pfandrecht des beklagten Landes ist folglich erst mit dem Abruf der Kreditmittel durch die Überweisungsaufträge und damit durch eine gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners entstanden. War die Überweisung nicht durch ein insolvenzfestes Pfändungspfandrecht des beklagten Landes gedeckt, so liegt eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor, weil auch die Zahlung mit Mitteln eines vom Schuldner abgerufenen Dispositionskredits gläubigerbenachteiligende Wirkung hat ( BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 179/08, WM 2011, 1343 Rn. 20; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 22).

2. Ein Zulassungsgrund greift nicht durch, soweit das Berufungsgericht in Anwendung von § 133 Abs. 1 InsO davon ausgegangen ist, dass bei der Schuldnerin eine Zahlungseinstellung vorlag, welche die Schlussfolgerung auf eine Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) gestattete.

Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner durch den Verkauf von Vermögensgegenständen die erforderliche Liquidität schaffen könnte, hierzu aber nicht bereit ist (Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Aufl., § 17 Rn. 170; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 17 Rn. 14; Pape, WM 2008, 1949, 1957). Setzt der Schuldner vorhandene Geldmittel nicht zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten, sondern für andere Zwecke ein, liegt ebenfalls eine Zahlungsunfähigkeit vor, weil sich der Schuldner durch diese Ausgaben der Mittel entäußert hat, die er für die Begleichung seiner Verbindlichkeiten benötigt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 19). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Schuldner seine Mittel verschwendet oder etwa - wie es sich im Streitfall verhalten mag - zur Unterstützung von Angehörigen verwendet.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.