Geltendmachung von Gebührenforderungen eines insolventen Rechtsanwalts durch den Insolvenzverwalter

OLG Naumburg, Urteil v. 03.04.2014, 2 U 62/13
1. Zur gerichtlichen Geltendmachung von Gebührenforderungen eines Rechtsanwalts, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist ausschließlich der Insolvenzverwalter berechtigt. Die Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens durch Abwickler der Kanzlei des Rechtsanwalts entfaltet keine verjährungshemmende Wirkung. (amtlicher Leitsatz)

Gründe:
A. Mit Bestallungsurkunde der Rechtsanwaltskammer des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.4.2004 wurde Rechtsanwalt R. zum Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts G. bestellt. Mit Beschluss des AG – Insolvenzabteilung – Halle-Saalkreis vom 14.5.2004 ist über das Vermögen des G. das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt F., der Kläger, zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Auf den für G. gestellten Antrag des Rechtsanwalts R. vom 6.10.2004 ist am 16.11.2004 gegen den Beklagten ein Mahnbescheid über eine Hauptforderung i. H. v. 23.443,51 € ergangen, in welchem der geltend gemachte Anspruch wie folgt bezeichnet ist: „Anwaltliche Gebührenforderungen des RA W.G. aus Vertretung in verschiedenen Landwirtschaftssachen vor dem AG Dessau vom 11. 2., 12. 2. und 13.2.2003 sowie 2.1.2002 und 10. 1. sowie 19.7.2004 i. H. v. insgesamt 23.443,51 €, Mahnungen blieben erfolglos. Nicht anderweitig festsetzbar.“

Gegen den ihm am 23.11.2004 zugestellten Mahnbescheid hat der Beklagte am 1.12.2004 Widerspruch eingelegt.

Nach Beendigung der Bestallung des Rechtsanwalts R. als Abwickler zum 30. 6. 2007 hat dieser dem Gericht die am 14. 5. 2004 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens mitgeteilt. Am 7. 10. 2011 (Hervorhebungen des Gerichts) hat der Kläger die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag i. H. v. 25.610,55 € nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat außerdem die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit am 12.3.2013 verkündetem Urteil hat das Landwirtschaftsgericht den Beklagten zur Zahlung von 23.419,78 € nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt.

B. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte ist berechtigt, nach Eintritt der Verjährung die Erfüllung des in der Berufungsinstanz noch anhängigen, unterstellt nach § 675 Abs. 1 i.V. m. § 612 Abs. 1 BGB gegebenen restlichen Zahlungsanspruchs i. H. v. 23.419,78 € zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB).

1. Der Beklagte hat sich ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung berufen.

2. Die hier maßgebliche dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB beginnt mit der Erledigung des Auftrags bzw. mit der Beendigung der Angelegenheit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 RVG; soweit gem. § 61 RVG vor dem 1.7.2004 noch die BRAGO anwendbar ist, nach § 16 BRAGO). Eine Beendigung der Angelegenheit ist vorliegend mit der Beendigung der amtsgerichtlichen Verfahren im Jahre 2003 eingetreten, so dass die Verjährungsfrist unter Berücksichtigung des § 199 BGB zum 31.12.2003 zu laufen begann und mithin vor der Aufnahme des Verfahrens durch den Kläger – am 7.10.2011 – endete.

3. Aufgrund der am 13.10.2004 eingetretenen Anhängigkeit des Mahnantrags und der am 16.11.2004 erfolgten Zustellung des Mahnbescheids an den Beklagten ist die Verjährung der im Berufungsverfahren noch gegenständlichen Hauptforderung nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 i.V. m. § 167 BGB gehemmt worden.

b) aa) (1) Allerdings ist eine verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids deshalb zu verneinen, weil der Mahnbescheid nicht durch den am 14.5.2004 zum Insolvenzverwalter bestellten Kläger, sondern am 13.10.2004 durch den Insolvenzschuldner G., dieser hierbei vertreten durch Rechtsanwalt R., beantragt worden ist.

(2) Der Abwickler R. war nicht befugt, nach der Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter die Gebührenforderungen für G. gerichtlich geltend zu machen.

Der Abwickler hat konkurrierende Fragen des anwaltlichen Berufsrechts und des Insolvenzrechts zu beachten. Grundsätzlich erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners. Der Insolvenzverwalter, der die Interessen der Gläubiger zu wahren hat, ist zur wirtschaftlichen Verwertung der dem Insolvenzschuldner zustehenden Forderungen berechtigt. Die Funktion des Abwicklers hingegen beschränkt sich darauf, im Interesse der Rechtssicherheit und der Mandanten laufende Mandate des früheren Rechtsanwalts weiterzubearbeiten und abzuschließen, wozu auch die Verwaltung der auf den Abwicklungskonten vorhandenen und eingehenden Gelder gehört (Böhnlein, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl., § 55 Rz. 35 ff.; Hartung, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 55 Rz. 23). Daher gehörte es zwar trotz der Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter weiterhin gem. § 55 Abs. 3 i.V. m. § 53 Abs. 9 und 10 BRAO zu den originären Aufgaben des R. als Abwickler, jedenfalls auch im Interesse der Rechtssicherheit die laufenden Angelegenheiten sicherzustellen, fortzuführen und abzuwickeln (vgl. OLG Köln, Urt. v. 4.11.2009 – 17 U 40/09, ZIP 2009, 2395 = MDR 2010, 535, dazu EWiR 2010, 147 (Fölsing)). Hierzu zählt jedoch nicht die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen. Diese unterfielen dem Insolvenzbeschlag. Eine Freigabe hatte der Kläger nicht erteilt. Auch der BGH hat in seinem Urteil vom 23.6.2005 (IX ZR 139/04, ZIP 2005, 1742 = ZVI 2005, 506 = MDR 2006, 231, Rz. 16) lediglich entschieden, dass der Abwickler das vorhandene Barvermögen in Besitz zu nehmen habe, um daraus die Kosten für die vorläufige Aufrechterhaltung des Kanzleibetriebs zu bestreiten; gleiches gelte für eingehende Gebühren; in der Regel werde der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten (Hervorhebungen des Gerichts) nach § 53 Abs. 9 Satz 2 BRAO, § 667 BGB erst mit dem Ende der Abwicklung fällig. Auch hieraus folgt, dass Rechtsanwalt R. als Abwickler nicht zur gerichtlichen Beitreibung der hier in Rede stehenden Gebührenforderungen, sondern lediglich zur – der Abwicklung der Kanzlei dienenden – Verwaltung des bereits existierenden Barvermögens berechtigt gewesen ist.

bb) (1) Die am 7.10.2011 erfolgte Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter hat keine verjährungshemmende Wirkung, da zu diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war und die in der Aufnahme liegende Genehmigung des prozessualen Verhaltens des R. bzw. des G. keine Rückwirkung hat. Denn die gerichtliche Geltendmachung ist keine Verfügung i. S. d. § 185 BGB und es käme eine entsprechende Anwendung nicht von Abs. 1 oder Abs. 2 Fall 1 dieser Vorschrift (Einwilligung, Genehmigung), sondern nur von Abs. 2 Fall 2 oder 3 (Erwerb, Beerbung) in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1966 – V ZR 176/63, BGHZ 46, 221 = NJW 1967, 568).

(2) Zwar ist eine Rückwirkung dann anzunehmen, wenn das Handeln eines vollmachtlosen Vertreters durch den Vertretenen genehmigt wird (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 204 Rz. 11). Das setzte vorliegend aber voraus, dass R. bei Beantragung des Mahnbescheids und bei Einreichung der Anspruchsbegründungsschrift für den Insolvenzverwalter gehandelt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall, da Rechtsanwalt R. unzweifelhaft für den Insolvenzschuldner tätig geworden ist.

Aus diesem Grund ist es auch ohne rechtliche Bedeutung, dass der Kläger, wie von ihm erstmals im Senatstermin – im Übrigen unsubstantiiert – behauptet worden ist, Rechtsanwalt R. zur Geltendmachung der Klageforderungen bevollmächtigt hat. Denn Antragsteller des Mahnbescheids – und späterer Kläger im Zeitpunkt der Einreichung der Anspruchsbegründungsschrift – war nicht Rechtsanwalt R., sondern G., der insoweit von R. vertreten wurde.

4. Allein aus diesen Gründen ist auch der Zustellung der von Rechtsanwalt R. eingereichten Anspruchsbegründungsschrift keine verjährungshemmende Wirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB beizumessen.