Leistung einer Rechtsschutzversicherung an den Geschäftsführer einer insolventen GmbH

BGH, Urteil v. 16.07.2014, IV ZR 88/13
Leitsatz:
1. Gibt der Rechtsschutzversicherer bei einer Versicherung für fremde Rechnung zugunsten des Versicherten eine Deckungszusage ab, legt er sich hinsichtlich seiner Leistungspflicht auf diesen fest. Bei einer Zahlung an den Versicherungsnehmer verstößt er gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn er sich auf dessen gleichermaßen bestehende Verfügungsbefugnis beruft. (amtlicher Leitsatz)

2. Verlangt der Versicherte Befreiung von einer Honorarverbindlichkeit gegenüber seinem Rechtsanwalt, erbringt der Rechtsschutzversicherer mit einer Zahlung an den Versicherungsnehmer nicht die nach den ARB geschuldete Leistung, so dass keine Erfüllung eintreten kann. (amtlicher Leitsatz)

Tatbestand:

Gegen den ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH kam es zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Zuvor war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden. Die GmbH war Versicherungsnehmerin einer Rechtsschutzversicherung. Die Rechtsschutzversicherung erteilte eine Deckungszusage bezüglich des Ermittlungsverfahrens und bat den Anwalt des Geschäftsführers ausdrücklich, namens und im Auftrag des versicherten Geschäftsführers dessen rechtlichen Interessen wahrzunehmen.

Die vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) sehen in § 15 Abs. 2 vor, dass für mitversicherte Personen die den Versicherungsnehmer betreffenden Bestimmungen sinngemäß gelten, der Versicherungsnehmer jedoch widersprechen kann, wenn eine andere mitversicherte Person als sein ehelicher/eingetragener Lebenspartner Rechtsschutz verlangt.

Nach Aufforderung durch den Insolvenzverwalter leistete die Rechtsschutzversicherung sämtliche Erstattungsbeiträge an die Insolvenzmasse. Der nun klagende Geschäftsführer ist der Ansicht, dass er als mitversicherte Person bezüglich der Erstattungsbeiträge verfügungsbefugt sei und deshalb die Rechtsschutzversicherung (nochmal und zwar) an ihn zu leisten habe.

Entscheidungsgründe:

Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass mit der vorliegend abgeschlossenen Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 44, 45 VVG die materielle Inhaberschaft der Rechte aus dem Versicherungsvertrag zwar beim Versicherten (Geschäftsführer) liege, der Versicherte aber formell-materiell befugt sei, über sie zu verfügen. Die Insolvenz des Versicherungsnehmers ändere dies nicht. Damit gehört der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers.

Durch § 15 ARB ergebe sich nämlich ein Nebeneinander der Verfügungsbefugnisse von Versicherungsnehmer und Versichertem; so dass § 15 ARB die Regelung des § 44 Abs.2 abbedingt. Damit konnte der Versicherte den Rechtsschutz eigenständig geltend machen.

Das alleine würde aber noch nicht über eine schuldbefreiende Leistung an den Insolvenzverwalter der GmbH hinweghelfen. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass sich der Rechtsschutzversicherer mit seiner Deckungszusage dazu verpflichtet hat, alleine an den Versicherten zu leisten. Die Deckungszusage habe einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Versicherten geschaffen und zu einer entsprechenden Festlegung nach Treu und Glauben geführt. Damit konnte sich der Rechtsschutzversicherer nicht auf seine Leistung an den Insolvenzverwalter berufen.

Letztlich weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass ein (Schuld)Befreiungsanspruch nicht einem Zahlungsanspruch gleichartig ist. Damit bestehe grundsätzlich kein Zahlungsanspruch des Gläubigers, also der versicherungsnehmenden GmbH. Der Rechtsschutzversicherer konnte an diese nicht befreiend leisten.

Der Befreiungsanspruch stehe materielle-rechtlich dem Versicherten zu. Nur an diesen könne der Rechtsschutzversicherer schuldbefreiend leisten. Eine befreiende Leistung an den Insolvenzverwalter hätte vorausgesetzt, dass der Verwalter zuvor den Verteidiger des Versicherten befriedigt hätte. Dam war vorliegend nicht so, so dass der Rechtsschutzversicherer nochmals an den Geschäftsführer zu leisten hatte.