Steuerhinterziehung im Falle der verdeckten Gewinnausschüttung

BGH, Beschluss vom 01.12.2015 – 1 StR 154/15
Leitsatz:
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist weder steuerrechtlich noch strafrechtlich verboten und daher für sich allein keine Steuerhinterziehung.

2. Eine Steuerverkürzung liegt nur in dem Umfang vor, in dem die Verschleierung der verdeckten Gewinnausschüttung entgegen § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG zu einer scheinbaren Minderung des steuerlichen Einkommens der Gesellschaft i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG führt.

3. Eine Verkürzung tariflicher Körperschaftsteuer (vgl. § 23 Abs. 1 KStG aF) tritt nicht ein, wenn das zu versteuernde Einkommen des Steuerschuldners trotz Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung nicht positiv ist. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit einer weiteren Steuerhinterziehung, sowie wegen vorsätzlichen Subventionsbetruges in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, den Angeklagten K. wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit einer weiteren Steuerhinterziehung, sowie wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafen hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen diese Verurteilungen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf formelle und materiell-rechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel erzielen mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I. 1. Auf die Revision des Angeklagten W. ist das Verfahren wegen des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, soweit der Angeklagte in den Fällen II.3.1.b. und II.3.1.c. (Investitionszulage 1999 zugunsten der d. GmbH sowie der F. GmbH) der Urteilsgründe wegen Subventionsbetrugs verurteilt worden ist.

Die für das Vergehen des Subventionsbetrugs gemäß § 264 Abs. 1 StGB maßgebliche Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB) begann jeweils mit der Beendigung der Taten (§ 78a StGB). Diese tritt in den Fällen des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB erst mit der Zahlung der Subvention an den Begünstigten ein, bei Ausreichung in Teilbeträgen mit Eingang der letzten Rate (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 - 3 StR 206/13, wistra 2014, 481 f. mwN). Begann demnach die Verjährung im Fall II.3.1.b. der Urteilsgründe mit der Auszahlung der Investitionszulage für das Jahr 1999 an die d. GmbH am 7. Juni 2000 und im Fall II.3.1.c. mit der Auszahlung der Investitionszulage für das Jahr 1999 an die F. GmbH spätestens am 29. August 2000, war bei Eröffnung des Hauptverfahrens am 2. Dezember 2010 durch das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht (vgl. § 210 StPO, § 78b Abs. 4 StGB) - ungeachtet rechtzeitig erfolgter verjährungsunterbrechender Maßnahmen - mit Ablauf des Doppelten der gesetzlichen Verjährungsfrist bereits absolute Verjährung nach § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB eingetreten.

2. Zudem ist das Verfahren auf die Revision des Angeklagten W. wegen des Verfahrenshindernisses des Strafklageverbrauchs gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, soweit der Angeklagte im Fall II.2.2.b. der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Körperschaftsteuer für das Jahr 2000 zugunsten der F. GmbH verurteilt worden ist.

Gegen den Angeklagten W. wurde bereits vor Einleitung des vorliegenden Verfahrens durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Fr. u.a. wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2000 zugunsten der F. GmbH durch Abgabe einer inhaltlich unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung als Geschäftsführer der Gesellschaft ermittelt. Das Verfahren wurde im Jahr 2004 nach Erfüllung einer Geldauflage gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt, mit der Folge, dass die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann (§ 153a Abs. 1 Satz 5 StPO). Da die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO die gesamte prozessuale Tat erfasst, ist zugleich für die tateinheitlich begangene Hinterziehung von Körperschaftsteuer für das Jahr 2000 zugunsten der F. GmbH (zu den Konkurrenzen bei Steuerstraftaten vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 StR 207/14, wistra 2014, 443 mwN) Strafklageverbrauch eingetreten.

II. Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.

III. 1. Die Feststellungen tragen hinsichtlich des Angeklagten W. in den Fällen II.2.1.a. und II.2.2.a. (Körperschaftsteuer/Umsatzsteuer 1999 und 2000 zugunsten der d. GmbH) der Urteilsgründe sowie hinsichtlich des Angeklagten K. in den Fällen II.2.2.a. und II.2.2.b. (Körperschaftsteuer/Umsatzsteuer 2000 zugunsten der d. GmbH und der F. GmbH) der Urteilsgründe den Schuldspruch wegen Hinterziehung von Körperschaftsteuer nicht.

a) Nach den landgerichtlichen Feststellungen waren die Angeklagten W. und K. Gesellschafter-Geschäftsführer der d. GmbH und der F. GmbH. In den Jahren 1999 und 2000 erwarben die Angeklagten zahlreiche Wirtschaftsgüter für die von ihnen eigengenutzten Privatwohnungen, wobei auf Veranlassung der Angeklagten die Rechnungen unter unzutreffender Leistungsbezeichnung auf die d. GmbH bzw. die F. GmbH umgeschrieben wurden. Die Rechnungsbeträge wurden durch die Gesellschaften beglichen, die Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen bilanziert und - soweit es sich nach der unzutreffenden Leistungsbezeichnung um abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelte, die nicht dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 EStG unterfielen - abgeschrieben. Weitere Berücksichtigung fanden die Vorfälle in den für die d. GmbH für die Jahre 1999 und 2000 sowie für die F. GmbH für das Jahr 2000 abgegebenen Körperschaftsteuererklärungen nicht. In den zeitgleich abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen der Gesellschaften für die betreffenden Jahre wurde ein Vorsteuerabzug in Höhe der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge geltend gemacht.

Das Landgericht hat das Geschehen als verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe des jeweiligen Bruttorechnungsbetrages gewertet, durch deren unterbliebene Berücksichtigung in den Körperschaftsteuererklärungen der Gesellschaften es zu einer Verkürzung von Körperschaftsteuer gekommen sei. Durch den unberechtigten Vorsteuerabzug sei tateinheitlich eine Hinterziehung von Umsatzsteuer verwirklicht.

2. Das Landgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend vom Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen ausgegangen, die den Gewinn der d. GmbH bzw. der F. GmbH - entgegen den Angaben in den für diese Gesellschaft abgegebenen Körperschaftsteuererklärungen - nicht minderten. Jedoch hat es die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttungen auf der Ebene der Gesellschaft nicht zutreffend bestimmt.

a) Verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind bei einer Kapitalgesellschaft eingetretene Vermögensminderungen oder verhinderte Vermögensmehrungen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen (zum Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurde das Vermögen der d. GmbH bzw. der F. GmbH dadurch gemindert, dass den auf die umgeschriebenen Rechnungen geleisteten Zahlungen keine Gegenleistung für die Gesellschaften gegenüberstand. Die Zuwendung von Vermögensvorteilen an die Angeklagten durch Übernahme der Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern für die eigengenutzten Privatwohnungen war jeweils allein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Es steht außer Zweifel, dass die den Angeklagten gewährten Vorteile bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt worden wären (zum Fremdvergleich vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2012 - 1 StR 140/12, BGHSt 58, 1 mwN).

b) Der vom Landgericht im Hinblick auf die verdeckten Gewinnausschüttungen angenommene Hinterziehungsumfang wird jedoch von den Urteilsfeststellungen nicht getragen.

Die steuerstrafrechtlichen Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung hängen von den Angaben in der Steuererklärung ab. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist weder steuerrechtlich noch strafrechtlich verboten und daher für sich allein keine Steuerhinterziehung (vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 53 mwN). Eine Steuerverkürzung liegt vielmehr nur in dem Umfang vor, in dem die Verschleierung der verdeckten Gewinnausschüttung entgegen § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG zu einer scheinbaren Minderung des steuerlichen Einkommens der Gesellschaft i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG geführt hat. Die Annahme des Landgerichts, dass dies hier bezüglich des Einkommens der d. GmbH bzw. der F. GmbH in den Jahren 1999 und 2000 in voller Höhe der jeweiligen Bruttorechnungsbeträge der Fall gewesen sei, wird von den Feststellungen nicht getragen. Denn danach wurden die vermeintlich angeschafften Wirtschaftsgüter als Betriebsvermögen aktiviert, so dass insoweit ein gewinnneutraler Aktivtausch vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 1991 - 5 StR 599/91). Damit wurde im Ergebnis lediglich in Höhe der in den betreffenden Jahren geltend gemachten Abschreibungen - zu deren Höhe sich das landgerichtliche Urteil nicht verhält - eine § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG widersprechende Minderung des steuerlichen Einkommens der Gesellschaften geltend gemacht und der Festsetzung der Körperschaftsteuer zugrunde gelegt.

c) Auch wenn danach feststeht, dass in den Jahren 1999 und 2000 bei der d. GmbH sowie im Jahr 2000 bei der F. GmbH in Höhe der gewinnmindernd geltend gemachten Abschreibungen verdeckte Gewinnausschüttungen vorliegen, die keinen Eingang in die Körperschaftsteuererklärungen der betreffenden Jahre gefunden haben, unterliegt der Schuldspruch gleichwohl der Aufhebung. Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass es trotz der unzutreffenden steuerlichen Behandlung der verdeckten Gewinnausschüttungen nicht zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung und damit zu keiner Steuerverkürzung i.S.v. § 370 Abs. 4 AO gekommen ist.

aa) Eine Verkürzung tariflicher Körperschaftsteuer (vgl. § 23 Abs. 1 KStG aF) ist nicht eingetreten. Das zu versteuernde Einkommen der d. GmbH in den Jahren 1999 und 2000 wie auch das zu versteuernde Einkommen der F. GmbH im Jahr 2000 war trotz Hinzurechnung der vom Landgericht rechtsfehlerhaft zu hoch bemessenen verdeckten Gewinnausschüttung nicht positiv, so dass auch bei zutreffender - niedrigerer - Bemessung keine tarifliche Körperschaftsteuer angefallen ist.

bb) Für die Annahme einer Steuerverkürzung aufgrund der hinsichtlich der verdeckten Gewinnausschüttung herzustellenden Ausschüttungsbelastung (vgl. § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 KStG aF) fehlt es an einer hinreichenden Darstellung der Berechnungsgrundlagen.

Durch die Herstellung der Ausschüttungsbelastung kann sich je nach vorhandenem verwendbaren Eigenkapital bei der Gesellschaft die geschuldete Körperschaftsteuer um den Unterschiedsbetrag zwischen Tarifbelastung und Ausschüttungsbelastung mindern oder erhöhen (§ 27 Abs. 1 KStG aF). Aufgrund dessen ist dem Senat ohne die im Urteil nicht enthaltene Darstellung der Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals eine Beurteilung, ob es zu einer Verkürzung von Körperschaftsteuer gekommen ist, nicht möglich (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 375/08, wistra 2009, 68; Beschluss vom 17. April 2008 - 5 StR 547/07, wistra 2008, 310).

d) Somit ist die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Hinterziehung von Körperschaftsteuer in den Jahren 1999 und 2000 zugunsten der d. GmbH (Fälle II.2.1.a. und II.2.2.a.) sowie die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Hinterziehung von Körperschaftsteuer im Jahr 2000 zugunsten der d. GmbH sowie zugunsten der F. GmbH (Fälle II.2.2.a. und II.2.2.b.) aufzuheben. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Hinterziehung von Umsatzsteuer (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2015 - 1 StR 16/15, StraFo 2015, 476).

Einer Aufhebung der zugehörigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen - die von der rechtsfehlerhaften Berechnung, die allein Rechtsanwendung darstellt (BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 1 StR 219/14, wistra 2015, 147), nicht betroffen sind - bedarf es nicht. Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen insbesondere zu der bilanziellen Behandlung der Wirtschaftsgüter sowie zur Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals zu treffen haben.

3. Die Aufhebung der Verurteilung beider Angeklagter in den genannten Fällen zieht eine Aufhebung des Ausspruchs über die jeweilige Gesamtstrafe nach sich.