In welchen Fällen trägt der Pflichtteilsnehmer trotz Obsiegens die Prozesskosten?

(Beitrag zur Entscheidung des OLG Köln vom 13.05.2023 – 24 W 22/23)

Wenn Kinder von ihren Eltern zu Lebzeiten Schenkungen erheblichen Umfangs erhalten haben, kann es sein, dass sie untereinander diese Schenkungen bei späterer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ausgleichen müssen. Darunter fallen z. B. kapitalistische Beteiligungen an einer GmbH oder die Übernahme der Kosten zur Einrichtung von Praxisräumen, um dem bisher nicht berufstätigen Abkömmling die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zu ermöglichen (Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2050 Rn. 26).


Auch im Pflichtteilsrecht spielt die Ausgleichungspflicht eine Rolle. Denn bei der Berechnung des Pflichtteils ist gem. § 2316 Abs. 1 BGB von einer hypothetischen Ausgleichung auszugehen. Wenn also ein Pflichtteilsnehmer den Erben zur Zahlung auf seine Pflichtteilsansprüche auffordert, muss er dem Erben ausgleichspflichtige Geschenke, die er zu Lebzeiten vom Erblasser erhalten hat, mitteilen. Denn ansonsten ist der Erbe nicht in der Lage, die Höhe der Pflichtteilsansprüche des Pflichtteilsnehmer richtig zu berechnen.

In einem von dem Oberlandesgericht Köln (Beschl. v. 13.05.2023 – 24 W 22/23) entschiedenen Fall hatte die Erblasserin ihre 3 Kinder zu ihren Erben eingesetzt und Dauertestamentsvollstreckung durch ihren Sohn S1 angeordnet. Sohn S2 hat in Anbetracht der angeordneten Dauertestamentsvollstreckung das Erbe ausgeschlagen und nimmt nun seinen Bruder S1 vor dem zuständigen Landgericht auf Zahlung in Anspruch. Zuvor hatte S1 ordnungsgemäß Auskunft über den Bestand des Nachlasses erteilt. Umgekehrt hat S1 seinen Bruder S2 aufgefordert, Auskunft zu lebzeitigen Zuwendungen durch die Erblasserin zu erteilen. S2 hat diese Auskünfte beharrlich mit dem Argument verweigert, dass es keine anrechnungs- oder ausgleichspflichtigen Zuwendungen gegeben habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat S2 dann die bislang verweigerten Auskünfte erteilt. S1 konnte damit den Zahlungsanspruch seines Bruders S2 in begründeter Höhe anerkennen. Das Landgericht hat dem klagenden S2 die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. S2 hält die Kostenentscheidung des Landgerichts für falsch: schließlich sei seiner Klage stattgegeben worden und auf die von ihm verweigerten Auskünfte sei es nicht angekommen.

Das Oberlandesgericht Köln folgt der Rechtsauffassung des Pflichtteilsnehmers S2 nicht und bestätigt die Kostenentscheidung des Landgerichts. Denn ein Klageanspruch kann selbst nach bereits gestelltem Klageabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung noch “sofort“ im Sinne der Zivilprozessordnung anerkannt werden, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Sachvortrag ergänzt. Dem in Anspruch genommenen Erben steht gegen den Pflichtteilsnehmer ein Anspruch hinsichtlich der vom Erblasser erhaltenen Zuwendungen zu. Erteilt der Pflichtteilsnehmer die begehrten Auskünfte nicht, darf der Erbe dem Zahlungsanspruch des Pflichtteilsnehmer ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten. Der Pflichtteilsanspruch ist bis zur Erteilung der Auskunft nicht fällig (OLG Oldenburg, ZErB 2021, 366 Rn. 53).

S2 hätte sich mit seiner Auskunft zu allen wertbildenden Faktoren, den Zeitpunkten und möglichen Anordnungen des Erblassers zu verhalten gehabt. Dabei ist es nicht der subjektiven Einschätzung des Pflichtteilsnehmer überlassen, welche Zuwendungen er als ausgleichungspflichtig einschätzt (OLG Koblenz, NJW-RR 2016, 203 Rn. 19). Somit wurde vom Landgericht zwar Zahlungsansprüchen des S2 in begründeter Höhe stattgegeben. Wegen der erst in der mündlichen Verhandlung aufgegebenen Verweigerungshaltung des Pflichtteilsnehmer wurde dieser aber – zu Recht - in die Kosten verurteilt.