(Beitrag zum Urteil des BGH vom 20.11.2018, 3 X ZR 115/16)
In der Praxis übertragen Eltern aus unterschiedlichen Gründen (Ausschöpfung der Steuerfreibeträge, Minimierung spätere Pflichtteilsergänzungsansprüche, Erhalt des Immobiliarvermögens in der Familie, etc.) bereits zu Lebzeiten ihr Immobilieneigentum auf ihre Kinder. Häufig erfolgt die Übertragung unentgeltlich. Wird in der Folge der Schenker pflegebedürftig und kann die Kosten einer Pflegeheimunterbringung nicht (vollständig) aufbringen, stellt sich die Frage nach einer Rückforderung des Geschenks durch den Sozialleistungsträger.
Dieser Rückforderungsanspruch, den der Sozialleistungsträger gemäß § 93 SGB XII auf sich überleiten kann, lässt sich im Übertragungsvertrag nicht ausschließen. Der Wert eines Grundstücks übersteigt häufig den Unterhaltsbedarf des verarmten Schenkers. Es darf dann nur Wertersatz für denjenigen Teil der Schenkung verlangt werden, der wertmäßig zwar zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ausreichend wäre, der aber infolge der Unteilbarkeit von Immobilien nicht herausgegeben werden kann. Der Beschenkte kann darüber hinaus mit Wertersatzzahlungen eine Rückübertragung der Immobilie vermeiden (sog “umgekehrte Ersetzungsbefugnis“).
Der Bundesgerichtshof hatte zur Entscheidung einen Fall vorliegen, in dem Eltern ihrer Tochter im Januar 2014 eine Eigentumswohnung unentgeltlich übertrugen. Den Verkehrswert der Wohnung haben die Parteien im notariellen Vertrag mit 70.000,- Euro beziffert. Ab Februar 2014 bezogen dann die Schenker Sozialhilfe. Der Sozialhilfeträger verlangte im Februar 2016 Erstattung bis dahin erbrachter Leistung in Höhe von etwa 33.000,- Euro sowie die Leistung künftiger Aufwendungen bis zu einem Gesamtbetrag i.H.v. 70.000,- Euro. Nachdem die Vorinstanzen die beschenkte Tochter zur Herausgabe im Wege der Zahlung verurteilt hatten, hob der Bundesgerichtshof die Verurteilung der Tochter auf.
Nach § 529 Abs. 2 BGB darf der Beschenkte die Herausgabe des Geschenks verweigern, sofern durch die Herausgabe sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet wäre (sog. Notbedarfseinrede). Der Sozialhilfeträger hätte der beklagten Tochter Sozialhilfe zu gewähren gehabt, da sie infolge der Rückübereignung der Wohnung nicht mehr in der Lage gewesen wäre, ihren eigenen Unterhalt zu bestreiten. Mit der Notbedarfseinrede soll gerade der Fall vermieden werden, dass der Beschenkte durch die Herausgabe des Geschenks leistungsbedürftig wird, nur um den Schenker aus einer solchen Lage zu befreien. Wenn also durch die Herausgabe des Geschenks bei einer der Parteien ein Notbedarf verbliebe, soll die Vermögenssituation so fortbestehen wie sie ist. Der Bundesgerichtshof betont schließlich, dass der Beschenkte alle gegenüber dem Schenker bestehenden Rechtseinwendungen auch gegenüber dem Sozialhilfeträger anbringen könne.
Dem Beschenkten soll aber die Berufung auf die Notbedarfseinrede versagt sein, wenn der Schenker und der Beschenkte mit der Übergabe des Vermögensgegenstands vorsätzlich oder grob fahrlässig die Hilfebedürftigkeit des Schenkers und damit den Bezug von Sozialhilfehilfeleistungen herbeigeführt haben. Eine solche Schenkung sei mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren. Sie führe aber nicht zur Nichtigkeit des Schenkungsvertrages; Rechtsfolge sei, dass sich der Beschenkte nicht auf die Erhebung der Notbedarfseinrede berufen dürfe. Der Bundesgerichtshof spricht an dieser Stelle seiner Urteilsbegründung davon, dass Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit bei Schenker und Beschenkte vorliegen müssen. An anderer Stelle der Urteilsbegründung wird auf Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit alleine beim Beschenkten abgestellt. Insoweit bleibt das Urteil unklar.
Das Klageziel des Sozialhilfeträgers dürfte sich (zumindest mittelbar) auch durch eine Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz erreichen lassen. Vorliegend wäre an die Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung zu denken. Der Sozialhilfeträger wäre zur Anfechtung berechtigt; er kann sich selbst durch Leistungsbescheid einen geeigneten Titel erzeugen, der auf eine Geldsummenschuld gerichtet ist. Der Vorteil einer anfechtungsrechtlichen Lösung liegt darin, dass nach der herrschenden Meinung subjektive Tatbestandselemente keine Rolle spielen. Es wäre also im Wege der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nicht von Relevanz, ob der Beschenkte vorsätzlich oder grob fahrlässig die Bedürftigkeit des Schenkers herbeigeführt hat.
Hat der Schenker bei Übertragung des Eigentums mit dem Vorsatz gehandelt, seine Gläubiger (z.B. auch den späteren Sozialhilfeträger) zu benachteiligen und kannte der Beschenkte diesen Vorsatz des Schuldners, wäre auch eine Anfechtung nach § 3 Abs. 2 AnfG denkbar. Allerdings verlangt diese Vorschrift eine unmittelbare Benachteiligung des Gläubigers und reicht zeitlich lediglich 2 Jahre in die Vergangenheit zurück. Erfolgte die Übertragung von mehr als 2 Jahren, wäre eine Vorsatzanfechtung nicht mehr möglich.