Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen Finanzierungsleistungen, die der Erblasser für seine Ehefrau erbracht hat

(Beitrag zum Urteil des BGH v. 14.03.2018, IV ZR 170/16)
Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen Schenkungen des Erblassers an seinen Ehegatten sind regelmäßig deswegen von großer Relevanz, weil die Ausschlussfrist von 10 Jahren nicht vor Auflösung der Ehe anläuft. Wird die Ehe erst durch den Tod des einen Ehegatten aufgelöst, sind damit alle Schenkungen ergänzungspflichtig, und zwar unabhängig wann der beschenkte Ehegatte tatsächlich über den Schenkungsgegenstand verfügen konnte. Dieser Zeitpunkt kann also auch schon mehrere Jahrzehnte zurückliegen. Dasselbe gilt übrigens auch bei Verfügungen über das Guthaben auf einem Oderkonto, über das der Erblasser zu Lebzeiten noch mitverfügen konnte.

In einem von dem Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall war der Erblasser in zweiter Ehe verheiratet und hatte 2 Söhne aus erster Ehe. Zur Finanzierung des Baus eines Einfamilienhauses hatten der Erblasser und seine Ehefrau ein Bankdarlehen über 250.000,- DM aufgenommen. Im Februar 1997 übertrug der Erblasser einen hälftigen Miteigentumsanteil an der Immobilie als “ehebedingte Zuwendung“ auf seine Ehefrau. Durch ein gemeinschaftliches Testament aus August 2008 setzten sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein. Im Dezember 2009 verstarb der Erblasser. Das vorbeschriebene Bankdarlehen valutierte zu diesem Zeitpunkt noch i.H.v. 108.000,- Euro. Bis dahin waren von dem Girokonto des Erblassers Tilgungsleistungen i.H.v. 20.000,- Euro und Zinszahlungen in Höhe von 112.000,- Euro erfolgt.

Die Söhne des Erblassers verlangen nun von der Witwe Pflichtteilsergänzung unter dem gesonderten Ansatz der Finanzierungsleistungen.

Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass die Hälfte der erbrachten Tilgungsleistungen auf das Immobiliardarlehen als Schenkungen im Wege der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigen ist.

Bezüglich der hälftigen Immobilie hat sich nach Abzug der dinglichen Belastungen ein Wert von 46.000,- Euro ergeben. Unter Ansatz der Pflichtteilsquote von je 1/8 haben die Söhne des Erblassers somit Zahlungsansprüche in Höhe von jeweils 5.750,- Euro erworben. Da die Immobilie zur Zeit der Schenkung einen höheren Wert hatte als beim Erbfall, war nach dem Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 BGB der Erbfallwert anzusetzen.

Der Bundesgerichtshof geht (entgegen der Ansicht der Vorinstanz) davon aus, dass auch wegen der von dem Konto des Erblassers geleisteten Zinszahlungen den Söhnen des Erblassers Pflichtteilsergänzungsansprüche entstanden seien. Denn der Pflichtteilsergänzungsanspruch setze voraus, dass der Erblasser aus seinem Vermögen dem Empfänger eine bereichernde Zuwendung gemacht habe, die unentgeltlich erfolgen soll. Die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten sei einer Schenkung gleichgestellt. Der Erblasser und seine Ehefrau haben für das Immobiliardarlehen als Gesamtschuldner gehaftet. Mit den Zinszahlungen habe der Erblasser damit auch auf eine Schuld seiner Ehefrau geleistet. Die Verringerung ihrer Verbindlichkeiten habe ihr Vermögen gemehrt, sofern die Zinszahlungen allein aus dem Vermögen des Erblassers stammten.

Etwas anderes könne sich nur aus dem alleine maßgeblichen Innenverhältnis zwischen den Ehegatten ergeben. Die Zinszahlungen des Erblassers stammten aus seinem Vermögen; er erfüllte mit diesen auch seine eigene Zinsverbindlichkeit gegenüber der Bank. Als Gesamtschuldner der Bank hätte er nach den gesetzlichen Vorschriften von seiner Ehefrau jeweils hälftigen Ausgleich verlangen dürfen. In diesen. Nun können Ehegatten vereinbaren, dass der Zahlende für Leistungen auf die gemeinsame Gesamtschuld keinen Ausgleich von dem anderen Ehegatten erhält. Eine solche Regelung hatten die Ehegatten in dem vorliegenden Fall nicht getroffen. Auch hatten sie nicht vereinbart, dass die Zinszahlungen durch den Erblasser der Alterssicherung der Ehefrau dienten; denn eine solche Zuwendung ist regelmäßig entgeltlich und kann dann nicht Gegenstand von Pflichtteilsergänzungsansprüchen sein. Der Bundesgerichtshof weist schließlich darauf hin, dass Zinsleistungen durch einen Ehegatten ein nach dem Familienrecht geschuldeter Beitrag zu den gemeinsamen Wohnkosten seien können, die dann ebenfalls Pflichtteilsergänzungsansprüche ausschließen würden.

Ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofs richtig ist, kann anhand von Rechtsprechungsgrundsätzen überprüft werden, die zur Rückführungen von Gegenständen in das Vermögen eines Insolvenzschuldners durch den IX. Zivilsenat entwickelt wurden (Insolvenzanfechtungsrecht). Bei der Prüfung, ob eine pflichtteilsergänzungsrechtlich relevante bereichernde Zuwendung aus dem Vermögen des Erblassers vorliegt, kann danach differenziert werden, ob diese Zuwendung die Aktivmasse des Vermögens des Zuwendungsempfängers vermehrt oder seine Schuldenmasse vermindert hat. Der Bundesgerichtshof hat nach diesen Grundsätzen richtig und konsequent die schuldrechtlichen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht mit der Übertragung des hälftigen Miteigentums an der Immobilie vermischt. Hinsichtlich der einzelnen Zuwendungshandlungen- und gegenstände sind diese jeweils selbstständig auf ihren Bereicherungsgehalt beim Empfänger zu prüfen, auch wenn sie gleichzeitig vorgenommen wurden oder sich wirtschaftlich ergänzen (so Bork/Gerhrlein, Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung, 14. Aufl., S.7). Danach war die (unentgeltliche) Zuwendung des hälftigen Miteigentums an der Immobilie losgelöst von der zuvor erfolgten Mitverpflichtung der Ehefrau als zweiter Darlehensnehmerin gegenüber der Bank zu betrachten.

Richtig ist es dann auch, die Verminderung der Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag als unentgeltliche Zuwendung im Wege der Verminderung der Schuldenmasse der Ehefrau zu behandeln.

Nach Auffassung des Verfassers hat der Bundesgerichtshof jedoch einen wichtigen Aspekt ungeprüft gelassen: Die Ehefrau hat sich vor Übertragung des hälftigen Miteigentums als zweite Darlehensnehmerin und damit als Gesamtschuldnerin zur Tragung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen des Erblassers gegenüber dessen Hausbank verpflichtet. Wegen seiner wertausschöpfenden Belastung hatte der später übertragene Miteigentumsanteil (noch) keinen positiven Vermögenswert. Es bestand seinerzeit lediglich die Erwartung einer Wertschöpfung durch die künftig zu erbringenden Zins- und Tilgungsleistungen durch den Erblasser. Insofern hätte man Überlegungen dazu anzustellen gehabt, ob die Ehefrau mit ihrer gesamtschuldnerischen Verpflichtung gegenüber der Hausbank des Erblassers im Innenverhältnis gegen den Erblasser nicht einen zumindest konkludent vereinbarten Freistellungsanspruch erworben hat. Dieser Freistellungsanspruch dürfte im Jahr 1996 die Höhe der hälftigen Darlehensvaluta gehabt haben. In der Folgezeit dürfte er in Höhe der monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen abgenommen haben. Ob dieser Freistellungsanspruch dann direkt mit den Zinsleistungen des Erblassers zu saldieren ist oder als Nachlassverbindlichkeit zu behandeln ist, wäre zu diskutieren.