Kündigung eines Bausparvertrags 10 Jahre nach Zuteilungsreife

LG Mainz, Urteil v. 28.07.2014, 5 O 1/14 (nicht rechtskräftig)
Leitsatz:
1. Die Vorschriften über Darlehen sind grundsätzlich auch auf Bauspardarlehen anzuwenden.

2. Der Bausparvertrag ist lediglich so lange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.

Tatbestand:
Die Parteien streiten über den Bestand eines Bausparvertrags. Die Beklagte betreibt eine Bausparkasse. Die Klägerin schloss am 27.2.1987 zwei Bausparverträge über jeweils 20.000 DM (10.255,84 €) ab. Die Garantieverzinsung betrug 2,5 %. Die Zuteilungsreife beider Bausparverträge war am 31.3.1994. Zum 31.12.2012 wurden beide Bausparverträge mit einem Guthaben von jeweils 6.993,48 € geführt. Grundlage der beiden Bausparverträge waren die allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB 7). Die Klägerin leistet seit Jahren keine Einzahlungen mehr auf das Bausparguthaben. Die Bausparguthaben der Klägerin erhöhten sich dementsprechend in der Vergangenheit jeweils nur durch die gutgeschriebenen Zinsen. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 20.9.2013 zum 31.3.2014 beide Bausparverträge.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagten stünde ein Kündigungsrecht nicht zu. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB liege hier nicht vor, da es auf die Zuteilungsreife nicht ankomme. Es bestünde keine Pflicht zur Inanspruchnahme des Darlehens bei Zuteilungsreife.

Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die bei der Beklagten bestehenden Bauverträge über den 31.3.2014 hinaus zu veränderten Bedingungen fortbestehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist in der Sache unbegründet. Die Beklagte hat beide Bausparverträge zum 31.3.2014 wirksam gekündigt und dadurch das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis beendet.

Zweck des Bausparvertrags ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB 7 bzw. Präambel zu den ABB. Es handelt sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Der Bausparer ist jedoch nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (§ 15 Abs. 2 ABB). Während der Ansparphase handelt es sich um einen Darlehensvertrag. Es wird einhellig die Meinung vertreten, dass in dem Bausparvertrag ein einheitlicher Darlehensvertrag dahin gehend zu sehen ist, dass die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Für den Fall, dass der Bausparer nach Zuteilung das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt, enthalten die ABB keine Regelung. Gem. § 1 Abs. 1 ABB 7 ist lediglich das aufgrund planmäßiger Sparleistungen zu erlangende Tilgungsdarlehen unkündbar. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Als Ausnahme hierzu sieht § 5 Abs. 3 ABB 7 ein spezielles Kündigungsrecht der Bausparkasse im Fall des Rückstands von Regelsparbeiträgen vor. Das bedeutet, dass der Bausparvertrag so lange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.

Vorliegend hat die Klägerin ihre planmäßigen Sparpflichten erfüllt. Sie hat indes seit nunmehr zehn Jahren ihre vertraglichen Rechte nicht ausgeübt. Die Ausrichtung des Bausparvertrags auf die Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme ist jedoch der vereinbarte Vertragsgegenstand. Dass ein Darlehen über zehn Jahre hin nicht abgerufen wird, ist nach Auffassung des Gerichts kein vertragsgemäßer, dauerhaft aufrechtzuerhaltender Zustand. Da der Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren ist, stellen die Einlagen des Bausparers ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Gem. § 488 Abs. 3 BGB sind die Vorschriften über Darlehen grundsätzlich auch für Bauspardarlehen und Spareinlagen anzuwenden (Palandt/Weidenkaff, BGB, vor § 488 Rz. 17, 23).

Das Gericht verkennt nicht, dass der vorliegende Fall insoweit nicht mit den Entscheidungen des LG Frankfurt/M. vom 22.2.2013 und des OLG Stuttgart vom 14.10.2011 (BeckRS 2012, 22642) übereinstimmt, weil in beiden Fällen die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig angespart worden war, so dass die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich war. Insoweit hält das Gericht an seiner im Termin geäußerten Auffassung einer Kündbarkeit gem. § 488 Abs. 3 BGB zwar nicht fest. Dieser Unterschied führt vorliegend jedoch nicht zu einer anderen Einschätzung der Sachlage im Hinblick auf die grundsätzliche Kündbarkeit.

Selbst wenn man nicht von einem Kündigungsrecht gem. § 488 Abs. 3 BGB ausgeht, konnte die Beklagte unter den Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwingend ordentlich kündigen. § 489 BGB ist nicht auf Verbraucher beschränkt und steht auch der Bausparkasse zu. Für die Bausparkasse besteht damit zehn Jahre nach vollständigem Empfang der Darlehensvaluta ein Recht zur ordentlichen Kündigung mit sechsmonatiger Kündigungsfrist. Und zwar ist ein vollständiger Empfang im Sinne der Vorschrift aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrags frühestens, aber auch schon bei Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife anzunehmen. Bereits hiermit und nicht erst mit der Zuteilung wird der für den Bausparvertrag charakteristische Zweck erreicht (vgl. Staudinger/Freitag, BGB, 2011, § 488 Rz. 546, 549, 550). Die Zuteilungsreife war vorliegend unstreitig der 31.3.1994. Die Kündigung erfolgte am 20.9.2013 zum 1.4.2014. Die Zehnjahresfrist war am 31.3.2014 abgelaufen. Der Bausparer wird durch den Beginn der Zehnjahresfrist nicht für die Nichtannahme der Zuteilung sanktioniert, da diese lediglich dem Schutz der Bausparkasse vor einer überlangen Bindung dient.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Grundsatz berufen, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind, da sie selbst durch die Nichtannahme der Zuteilung über nunmehr zehn Jahre dem Vertragszweck zuwidergehandelt hat. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Zweck des Bausparvertrags nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Darlehens ist. Dabei gibt die Höhe der Zinsen von 2,5 % keinen Ausschlag. Die Klägerin hat dies so gewählt, da sie sich im Zusammenhang von Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung durch einen niedrigen Guthabenzins eine niedrige Darlehensverzinsung gesichert hat.