Der Widerruf von Verbraucherdarlehen zur mittelbaren Lösung von Kfz-Kaufverträgen

(Beitrag vom 20.12.2018)
Der sog. Abgasskandal und drohende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge lösen das Bestreben von Verbrauchern aus, sich über den Widerruf eines Finanzierungsdarlehens auch mittelbar von dem Kaufvertrag über ein (Diesel)Fahrzeug zu lösen. Möglich wird das dadurch, dass der Verbraucher bei einem Kfz-Händler ein gebrauchtes oder neues Fahrzeug erwirbt, der die Finanzierung durch die Hausbank des Kfz-Herstellers vermittelt. In einer solchen Konstellation liegt ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 358 BGB vor.

Kann der Verbraucher den Kfz-Kaufvertrag gemäß § 495 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen, ist er auch gemäß § 358 Abs. 2 BGB an den Vertrag über die Lieferung des Fahrzeugs nicht mehr gebunden. Denn diese beiden Verträge bilden eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. gesetzlichen Widerrufsvorschriften für Verbraucherverträge. Die Rückabwicklung erfolgt vollständig im Verhältnis zur darlehensgebenden Bank, die in das Vertragsverhältnis zwischen Kfz-Händler und Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs eintritt. Diese Regelung soll dem Verbraucher die Rückabwicklung im Verhältnis zum Verkäufer erleichtern.

Die Widerrufserklärung hat der Verbraucher zwar generell innerhalb einer zweiwöchigen Frist, die gewöhnlich mit dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages beginnt, vorzunehmen. Diese Frist läuft aber nicht an, solange dem Verbraucher nicht bestimmte Angaben (Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB) zur Verfügung gestellt worden sind. Werden die Pflichtangaben nachgeholt, beträgt die Widerrufspflicht ab dem Zeitpunkt der Zurverfügungstellung einen Monat. In vielen Fällen holen die Banken die Pflichtangaben jedoch nicht nach.

Verbraucher berufen sich hinsichtlich des Fehlens von Pflichtangaben darauf, dass in den betreffenden Darlehensverträgen Hinweise auf das Kündigungsrecht des Verbrauchers nach § 314 BGB nicht enthalten seien. Hinsichtlich der sog. Vorfälligkeitsentschädigung, die bei vorzeitiger Beendigung eines Darlehensvertrags durch den Verbraucher zu leisten ist, enthalten zahlreiche Darlehensverträge keine Angabe zu der Berechnungsmethode für eine Vorfälligkeitsentschädigung. Nun kann der Verbraucher Rückzahlung der geleisteten Anzahlung und sämtlicher geleisteter Annuitäten Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs von der Bank verlangen und im Verweigerungsfall auch klagen (s. zB. LG Berlin, Urteil v. 05.12.2017 - 4 O 150/16, LG Ellwangen, Urteil v. 25.01.2018 - 4 O 232/17).

Nicht alle in solcher oder ähnlicher Weise bereits angerufenen Gerichte entscheiden so. Es wird auch vertreten, dass im Sinne einer Vollharmonisierung der entsprechenden Verbraucherkreditrichtlinie auf eine Möglichkeit des Verbrauchers zur Kündigung nach § 314 BGB nicht hinzuweisen sei. Diese Ansicht trägt auch vor, dass es bezüglich der Hinweise zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung ausreichend sei, die Berechnung nach den allgemeinen vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen zu konkretisieren. Hinsichtlich fehlender oder fehlerhafter Informationen über die Vorfälligkeitsentschädigung ist es für die finanzierende Bank sicherlich misslich, dass eine Nachholung der Informationen bezüglich einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu einem Anlauf der Widerrufsfrist führt. Vielmehr muss in einem solchen Fall (wenn man denn eine Belehrung über die Berechnungsmethode verlangt) davon ausgegangen werden, dass ein Anspruch der Bank auf Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen sei.

Die Vorschriften zum Widerruf von Darlehensverträgen und der Leistung von Vorfälligkeitsentschädigungen wurden seit der Schuldrechtsreform in für Verbraucher verwirrender Weise häufig geändert. Maßgeblich für die Anwendung der entsprechenden Fassung des Rechts ist jeweils der Zeitpunkt des Abschlusses des Verbraucherdarlehensvertrages. Hier ist (s. Art. 229 § 32 Abs.4 bzw. Abs.1, Art. 229 § 9 EGBGB)) wie folgt zu differenzieren:

  1. Für Darlehensverträge, die ab dem 11.06.2010 geschlossen worden, sind bezüglich der Vollständigkeit der Informationen § 492 Abs.2 BGB aF i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB zu beachten. Die Widerrufsbelehrung hat zu erfolgen gemäß §§ 495 Abs.1, 495 Abs.2 Nr.1 BGB aF.. Die Rückabwicklung von Verbraucherdarlehensverträgen, die zwischen dem 01.01.2002 und dem 12.06.2014 geschlossen wurden, erfolgt nach § 357 Abs.1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs.2 S.2 BGB. Die Rückabwicklung des Kaufvertrags erfolgt nach Rücktrittsrecht. Der Verbraucher hat für tatsächlich gezogene Nutzungen Wertersatz zu leisten. Nach § 357 Abs. 3 BGB aF ist auch Wertersatz für die Verschlechterung des Fahrzeugs infolge dessen Benutzung zu leisten.

  2. Für Darlehensverträge, die ab dem 30.07.2010 geschlossen worden, sind bezüglich der Vollständigkeit der Informationen § 492 Abs.2 BGB aF i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB zu beachten. Die Widerrufsbelehrung hat zu erfolgen gemäß §§ 495 Abs.1, 495 Abs.2 Nr.1 u. 2b BGB aF.

  3. Für Darlehensverträge, die ab dem 13.06.2014 geschlossen worden, sind bezüglich der Vollständigkeit der Informationen § 492 Abs.2 BGB aF i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB zu beachten. Die Widerrufsbelehrung hat zu erfolgen gemäß § 492 Abs.2 bzw. §§ 495 Abs.1, 356b Abs.2 S.1 BGB aF.. Die Rückabwicklung des Verbraucherdarlehens erfolgt nach §§ 355 Abs.3, 357a Abse. 1,3 BGB. Für Darlehnsverträge ab dem 13.06.2014 folgt die Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers hinsichtlich des Fahrzeugs aufgrund der einheitlichen Rückabwicklung nach § 358 Abs. 2 BGB aus §§ 358 Abs.4 S.1, 357 Abs.7 BGB.

  4. Für Darlehensverträge, die ab dem 21.03.2016 geschlossen worden, sind bezüglich der Vollständigkeit der Informationen § 492 Abs.2 BGB aF i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB zu beachten. Die Widerrufsbelehrung hat zu erfolgen gemäß §§ 495 Abs.1, 356b Abs.2 S.1 BGB. Der Verbraucher hat den vertraglich vereinbarten Zins für den Zeitraum zwischen Ausreichung des Darlehenskapitals und seines Widerrufs zu leisten. Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs ist unter den Voraussetzungen des § 357 Abs.7 BGB zu leisten. Der Verbraucher ist über eine mögliche Pflicht zum Wertersatz zu belehren, Art. 247 § 12 Abs.1 S.2 Nr.2 b) EGBGB.

Im Gegensatz zu den Regelungen über Immobiliardarlehensverträge (s. Art. 229 § 38 Abs.3 EGBGB) enthält das Gesetz im Falle des Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags nach wie vor keinen speziellen Erlöschenstatbestand für das Widerrufsrecht bzw. keine Widerrufshöchstfrist. Damit kann ein Widerruf theoretisch auch noch Jahre nach einem Vertragsschluss, in dem die erforderlichen Angaben fehlen, erklärt werden. Ein Widerrufsrecht kann allerdings verwirken.

Hinsichtlich einer Verpflichtung des Verbraucherdarlehensnehmers zur Leistung von Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs ist zunächst festzustellen, dass für den Kaufvertrag selbst weder ein Widerrufsrecht noch eine Pflicht zur Belehrung besteht. Mit dem Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages kommt es zu einem sog. Widerrufsdurchgriff. Diesbezüglich bestimmt § 358 Abs.4 S.1 BGB, dass die Vorschriften der §§ 357 bis 357b BGB entsprechend anzuwenden sind. Die Wertersatzpflicht ist in § 357 Abs. 7 BGB geregelt. Wäre diese Vorschrift direkt anwendbar, müsste die Widerrufsbelehrung der Bank einen zwingenden Hinweis auf eine mögliche Wertersatzpflicht des Verbrauchers enthalten. Soweit überhaupt eine Widerrufsbelehrung erteilt wurde, ist mit dem Landgericht Ellwangen (s.o.) anzunehmen, dass geringfügige Unrichtigkeiten der Widerrufsbelehrung keine Auswirkung auf die Wertersatzpflicht haben, sondern allenfalls auf den Anlauf der Widerrufsfrist. Wertersatz ist demnach zu leisten wenn der Käufer über sein Widerrufsrecht unterrichtet wurde und wenn der Verbraucher mit der Ware in einer Weise umgegangen ist, die zur Prüfung der Beschaffenheit und Funktionsweise nicht notwendig war. Diese Voraussetzung dürfte bereits mit der erstmaligen Zulassung eines Fahrzeugs erfüllt sein. Denn die Erstzulassung löst regelmäßig einen Wertverlust i.H.v. 20 % aus.

Der Wertverlust ist betragsmäßig für Darlehensverträge seit dem 13.06.2014 nach der sog. Vergleichswertmethode zu ermitteln. Zu ersetzen ist dann die Differenz zwischen dem ursprünglichen Wert des Fahrzeugs beim Kauf (unter Beachtung des Kaufpreises) und dem Wert des Fahrzeugs bei Rückgabe an den Darlehensgeber. Es gibt jedoch auch Gerichte, die auf Darlehensverträge seit dem 13.06.2014 die nachfolgend dargestellte Wertersatztheorie anwenden.

Für Darlehensverträge bis zum 12.06.2014 kann sich der Wertersatz nach der Anzahl der durch den Verbraucher gefahrenen Kilometer richten. Diese sind ins Verhältnis zur typischen Gesamtlaufleistung eines Dieselfahrzeugs zu setzen. Die Rechtsprechung geht von Gesamtlaufleistungen zwischen 150.000 km und 300.000 km aus. Nach der sog. Wertersatztheorie ist Grundlage der Bruttokaufpreis des Fahrzeugs und das Verhältnis der gefahrenen Kilometer zu der erwarteten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs (BGH NJW 1995, 2159 ff.).