Kein Kündigungsrecht einer Bausparkasse 10 Jahre nach Zuteilungsreife des Bausparvertrages

AG Ludwigsburg, Urt. v. 07.08.2015, 10 C 1154/15
Leitsatz:
1. Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmer nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist weder nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf eine Kündigung durch die Bausparkasse anwendbar.

2. Die Zuteilungsreife des Bausparvertrags kann nicht mit dem vollständige Empfang eines Darlehens i. S. d. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gleichgesetzt werden.(redaktionelle Leitsätze)

Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein mit der Beklagten bestehender Bausparvertrag nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 12.01.2015 beendet wurde sondern fortbesteht.

Mit Antrag vom 09.05.1988 begehrte der Kläger den Abschluss eines Bausparvertrages nach Tarif (ABB) 7. Die Beklagte nahm den Antrag an und bestätigte das Bestehen eines Bausparvertrages mit der Vertragsnummer 28 076 8340, Tarif 7 mit Vertragsbeginn 19.05.1988 und einer Bausparsumme von 50.000,- DM.

In der Folge (17.02.1993) wurde der Bausparvertrag in zwei Teilverträge aufgeteilt mit den Bausparsummen 40.000,- DM und 10.000,- DM. Der Bausparvertrag über die Summe von 10.000,- DM (Vertragsnummer 41 047 9923) wurde zum 01.07.1993 abgerechnet und an den Kläger ausbezahlt.

Dem Bausparvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB 7) für Abschlüsse bis 31.12.1988 zugrunde. Darin finden sich u. a. folgende Bedingungen:

§1 Abs. 1

Der Abschluss des Bausparvertrages dient der Erlangung eines unkündbaren, in der Regel zweitstellig zu sichernden Tilgungsdarlehens (Bauspardarlehen) aufgrund planmäßiger Sparleistungen nach Maßgabe dieser allgemeinen Bedingungen.

§ 2 Abs. 3

Beträge, die die Bausparsumme übersteigen, werden für die Verzinsung zunächst wie das Bausparguthaben behandelt. ...

§ 5 Abs. 1

Der monatliche Bausparbeitrag beträgt 5 vom Tausend der Bausparsumme (Regelsparbeitrag), er ist bis zur ersten Auszahlung aus der zugeteilten Bausparsumme zum 1. jeden Monats kostenfrei an die Bausparkasse zu entrichten.

§ 6 Abs. 1

Das Bausparguthaben wird mit 2,5 vom Hundert jährlich verzinst. Die Verzinsung des Bausparguthabens erhöht sich um einen Zinsbonus von 80 vom Hundert der Guthabenzinsen.

§ 6 Abs. 2

Die Verzinsung beginnt für Sparzahlungen mit dem auf den Zahlungseingang folgenden Monatsersten. Die Verzinsung des Bausparguthabens endet mit der ersten Auszahlung nach der Zuteilung.

§ 12 Abs. 1

Die Zuteilung wird dem Bausparer unverzüglich schriftlich mitgeteilt mit der Aufforderung, binnen 4 Wochen ab Datum der Zuteilung zu erklären, ob er die Zuteilung annimmt.

§ 14 Abs. 1

Nimmt der Bausparer die Zuteilung nicht an oder gibt er die Annahmeerklärung nicht fristgemäß ab oder wird die Annahme der Zuteilung widerrufen, so wird der Bausparvertrag fortgesetzt.

Mit einem Schreiben ohne Datum teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Bausparvertrag - 28 076 8340 - am 01.07.2002 zugeteilt werde. Mit Schreiben vom 15.07.2013 erklärte die Beklagte u. a. „selbstverständlich können Sie Ihren Bausparvertrag auch bestehen lassen, jedoch weisen wir Sie darauf hin, dass sich mit jeder weiteren Einzahlung Ihr Darlehensanspruch verringert“.

Das Bausparguthaben belief sich, Stand 31.12.2014, auf 15.457,78 EUR.

Mit Schreiben vom 12.01.2015 kündigte die Beklagte unter Hinweis auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB den Bausparvertrag zum 24.07.2015.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe kein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, da Bausparverträge im Sinn des Bausparkassengesetzes keine Darlehen im Sinn des § 488 BGB seien. Der Kläger stellt folgende Anträge:

1. Es ist festzustellen, dass der mit der Beklagten abgeschlossene Bausparvertrag des Klägers mit der Vertragsnummer 28 076 8340 vom 19.05.1988 über den 24.07.2015 fortbesteht;

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 564,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klage ist gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die Parteien streiten sich um den Fortbestand des am 19.05.1988 geschlossenen Bausparvertrages.

Gem. § 256 Abs. 1 ZPO kann die Feststellungsklage auf Bestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet werden. Rechtsverhältnis ist jedes Schuldverhältnis zwischen den Parteien, insbesondere die Frage der Wirksamkeit, Auslegung oder Beendigung eines Vertrages (Zöller-Greger, ZPO Kommentar, § 256 RZ 4). Nachdem vorliegend die Beklagte die Beendigung des Vertrages behauptet und dem Kläger die Durchsetzung seiner subjektiven Rechte durch Leistungsurteil oder eine Rechtsänderung durch Gestaltungsurteil nicht möglich ist, ist die positive Feststellungsklage zulässig.

2. Die Klage ist begründet.

Der Bausparvertrag besteht zwischen den Parteien fort.

Die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2015 vermochte das Vertragsverhältnis nicht zu beenden, da der Beklagten ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht zur Seite steht.

Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmer nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist weder nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf eine Kündigung durch die Bausparkasse anwendbar (a), noch sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm im vorliegenden Fall gegeben (b).

Der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 14.10.2011 (Beschluss AZ 9 U 151/11, WM 2013, 508 ff., zitiert nach Juris) folgend schließt sich das Gericht der Rechtsauffassung der Beklagten an, wonach es sich bei dem Bausparvertrag um einen einheitlichen Darlehensvertrag handelt mit der Besonderheit, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Bausparkasse dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist.

a) Obwohl das Darlehensrecht grundsätzlich auf den Bausparvertrag Anwendung findet, kann sich die Beklagte in Fällen der vorliegenden Art nicht auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen. Dies entspräche nach Auffassung des Gerichts nicht der Intention des Gesetzgebers, die der Schaffung der vorliegenden Norm zugrunde lag.

Mit dem Gesetz zur Änderung, wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften vom 25.07.1986 (Bundesgesetzblatt Teil 1 1986, 1169) hob der Gesetzgeber den bis dahin geltenden § 247 BGB auf und fügte § 609a BGB neu ins BGB ein. § 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB bestimmte, wortgleich mit dem nun geltenden § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, dass der Schuldner ein Darlehen „in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten“ kündigen kann.

Der Gesetzesänderung zugrunde lag der Gesetzesentwurf (Drucksache 10/4741 vom 29.01.1986). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber § 247 Abs. 1 BGB alte Fassung abschaffen wollte, weil eine wirtschaftlich sinnvolle, im Streitfall bestandskräftige Kündigung aufgrund dieser Norm, nach den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen und insbesondere der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr möglich sei. Der Begründung des Entwurfes des Gesetzes zur Änderung wirtschafts- und verbraucherrechtlicher Vorschriften lässt sich entnehmen, dass nach Auffassung des Gesetzgebers § 247 Abs. 1 BGB alte Fassung dem Darlehensnehmer ein zu weitreichendes Kündigungsrecht gewährte, insbesondere wenn nach einer Phase ausgesprochen hoher Zinsen der Kapitalzins so stark abfiel, dass eine Umschuldung auf geringer verzinsliche Kredite für die Kreditnehmer rentabel wurde. Konsequenz dieses weitgehenden Kündigungsrechtes war, dass der Versicherungswirtschaft durch vorzeitig gekündigte Kredite ein Verlust von rund 1 Milliarde DM entstand.

Nach der Begründung des Entwurfs war das Kündigungsrecht des Schuldners von einem Ausnahmebehelf zu einem voraussetzungslosen allgemeinen Kündigungsrecht geworden. Dies sei mit dem Wesen einer Festzinsabrede bei längerfristigen Krediten nicht zu vereinbaren. Der Entwurf bemängelte, dass der Kreditgeber bei steigenden Zinsen an einen niedrigen Vertragszins gebunden bleibe, während der Kreditnehmer bei fallenden Zinsen nach der Vorlaufzeit von 6 Monaten mit 6-monatiger Frist kündigen könne. Das Zinsänderungsrisiko sei einseitig auf den Kreditgeber verlagert und habe gesamtwirtschaftlich nachteilige Auswirkungen. Sie erschwere den professionellen Kreditgebern eine laufzeit- und zinskongruente Refinanzierung mittel- und längerfristig verzinslicher Kredite, deren Angebot zur Förderung und Finanzierung von Investitionen erwünscht sei. Die Kreditgeber müssten bei längerfristiger Vereinbarung fester Darlehenszinsen danach trachten, das sich aus § 247 BGB a. F. ergebende Risiko durch Kostenzuschläge (Disagio, Zinsen) aufzufangen.

Bereits aus diesem Passus der Begründung des Gesetzesentwurfes ergibt sich, dass die Änderung im Interesse der „professionellen Kreditgeber“ zur Vermeidung gesamtwirtschaftlich nachteiliger Auswirkungen beabsichtigt war.

Der Gesetzgeber hatte keinesfalls eine Darlehenskonstruktion der vorliegenden Art im Auge, wonach beim Bausparvertrag zunächst der Bausparer in der Ansparphase der Darlehensgeber und die Bausparkasse die Darlehensnehmerin ist. Die Gesetzesänderung sollte die „professionellen Kreditgeber“ stärken und keinesfalls den privaten Darlehensgeber im Bereich der Bausparverträge.

Weiter ergibt sich aus der Begründung (Seite 22), dass mit der künftigen Regelung ein „maßvoll ausgestaltetes allgemeines Kündigungsrecht des Schuldners als ein wesentliches und wirksames Gegengewicht gegen das Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers“ geschaffen werden soll. Auch aus diesem Begründungsteil ist zu erkennen, dass das Kündigungsrecht des § 609a BGB a. F. jetzt § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, nicht auf die Konstruktion des Bausparvertrages Anwendung finden kann.

Zwar ist der Bausparer Darlehensgeber während der Ansparphase, im steht aber keinerlei „Zinsbestimmungsrecht“ zu. Dies liegt allein bei der Bausparkasse.

Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts zwanglos erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Norm, den „normalen“ Darlehensfall im Auge hatte, bei dem der Darlehensgeber der wirtschaftlich stärkere, „zinsbestimmende“ Vertragsteil und der Darlehensnehmer der wirtschaftlich schwächere ist. Diese Voraussetzungen sind beim Bausparvertrag gerade nicht gegeben.

Auch diese Erklärungen weisen eindeutig darauf hin, dass der Gesetzgeber unter Kreditgeber eine Bank oder eine Versicherung verstand und unter Kreditnehmer den, so der heutige Terminus, Verbraucher.

Beim Bausparvertrag ist es nicht der Bausparer, der „Konditionen längerfristiger, festverzinslicher Kredite“ zu schaffen vermag, sondern es ist die Bausparkasse. Das „breiter gefächerte Angebot, insbesondere im Bereich der festverzinslichen Kredite“ stellt nicht der Bausparer, sondern die Bausparkasse. Damit kann nach Auffassung des Gerichts kein Zweifel daran bestehen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Kündigungsvorschrift des § 609a BGB a. F. nicht das Bausparvertragsverhältnis im Blick hatte.

Damit steht, nach Auffassung des Gerichts, außer Frage, dass sich die Bausparkasse nicht auf das Kündigungsrecht des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen kann, weil dies den Intentionen des Gesetzgebers bei Schaffung der Vorgängernorm nicht gerecht wird. … Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bei Schaffung der Norm des § 609a BGB a. F. der Bausparvertrag und die darin zum Ausdruck kommenden Parteirollen, Darlehensnehmer (Bausparkasse) und Darlehensgeber (Bausparer) nicht erfasst werden sollte.

Bereits diese Überlegungen führen dazu, die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2015 als unwirksam zu betrachten.

b) Darüber hinaus ist jedoch, selbst wenn man § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zugunsten der Bausparkasse für anwendbar halten wollte, im vorliegenden Fall ein Tatbestandsmerkmal der Norm nicht erfüllt.

Vorab sei nochmal auf die oben erwähnte Begründung zum Gesetzesentwurf (Seite 23) verwiesen. Der Gesetzgeber wollte das Kündigungsrecht dem Darlehensschuldner nach Ablauf von 10 Jahren nach der Auszahlung des Darlehens gewähren. In § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist dies so formuliert, dass dem Darlehensnehmer nach „dem vollständigen Empfang“ das Kündigungsrecht zustehen soll.

Sowohl nach dem Wortlaut des Gesetzes als auch nach der oben angeführten Begründung des Gesetzentwurfes ist nach Auffassung des Gerichts der vollständige Empfang im Sinn des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB keinesfalls mit der Zuteilungsreife des Darlehensvertrages gleichzusetzen, wie dies bisher in der Rechtsprechung geschehen ist. So haben das Landgericht Mainz (WM 2015, 181 ff., zitiert nach Juris), das Landgericht Hannover (Urteil vom 30.06.2015, AZ 14 O 55/15, zitiert nach Juris) und das Landgericht Aachen (Urteil vom 19.05.2015, AZ 10 O 404/14, zitiert nach Juris) jeweils ausgeführt, dass „in einem Bausparfall der vollständige Empfang der Darlehensvaluta im Sinn des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB der eintretenden Zuteilungsreife“ gleichzusetzen sei.

Wenn schon das Darlehensrecht direkt auf den Bausparvertrag Anwendung finden soll, dann ist es nicht zu begründen, dass einseitig zugunsten eines Vertragspartners, nämlich der Bausparkasse, der eindeutige Wortlaut der Gesetzesnorm zulasten des anderen Vertragsteiles ausgehöhlt wird.

Es besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass der Bausparer niemals verpflichtet ist, ein Darlehen in Anspruch zu nehmen, wenn auch § 1 der ABB 7 den Vertragszweck in der Erlangung eines Bauspardarlehens sieht. Die Nichtannahme der Zuteilung kann daher keinesfalls als vertragswidriges Verhalten des Bausparers gewertet werden.

Zwar wird in den §§ 491 ff. BGB der Verbraucherdarlehensvertrag speziell geregelt, jedoch übersieht das Landgericht Hannover, dass § 500 BGB nicht auf Immobiliardarlehensverträge anzuwenden ist (§ 503 BGB). Der Bausparvertrag ist aber unstreitig ein Immobiliardarlehensvertrag im Sinn des § 503 BGB, so dass nach wie vor die oben zitierte Gesetzesbegründung zu § 609a BGB a. F. für die Auslegung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB heranzuziehen ist. Die Bundestagsdrucksache 16/11 643, Seite 74 enthält keinesfalls eine neue Begründung für Sinn und Zweck dieser Kündigungsvorschrift.

Damit ist, wenn man so weit gehen wollte und § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB für Bausparverträge für anwendbar hält, festzustellen, was unter „vollständigem Empfang“ im Sinn dieser Norm gemeint ist. Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass damit nur die vollständige Valutierung, also Auszahlung des vereinbarten Darlehens gemeint sein kann. Gestützt wird dies durch die Begründung des Gesetzesentwurfes (Bundestagsdrucksache 10/4741, Seite 23), wie oben ausgeführt.

Damit ist vertraglich eine bestimmte Darlehenssumme, die der Darlehensgeber der Ansparphase, also der Bausparer, an die Bausparkasse zu zahlen hat, nicht ausgewiesen. Auch daraus ergibt sich, dass die Gesetzesnorm des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht auf den Bausparvertrag zugeschnitten wurde.

Soweit in diesem Zusammenhang die Beklagte darauf hinweist, dass mit Eintritt der Zuteilungsreife es allein beim Bausparer liege, seinen Anspruch auf Erhalt der Bausparsumme zu begründen, ist dies, betrachtet man die ABB 7, keinesfalls zutreffend. Auch nach der Zuteilungsreife liegt es in der Entscheidungsfreiheit der Bausparkasse, das Darlehen zu gewähren. Dies folgt aus § 13 Abs. 4, 15 ABB. Vor Gewährung des Darlehens hat die Bausparkasse das Recht, eine Bonitätsprüfung durchzuführen, sowie weitere Darlehenssicherheiten zu verlangen. Kommt der Bausparer dem nicht nach, wird das zugeteilte Bauspardarlehen nicht ausgezahlt.

Aus § 14 ABB ergibt sich, dass die Beklagte bei Vertragsschluss im Jahr 1988 keinesfalls davon ausging, dass der vollständige Empfang im Sinn des § 489 Abs. 1 Nr. 2 mit der Zuteilungsreife gleichzusetzen sei. § 14 Abs. 1 ABB gewährt dem Bausparer nicht nur das Recht, die Zuteilung nicht anzunehmen, sondern regelt ausdrücklich die Fortsetzung des Bausparvertrages für den Fall, dass der Bausparer die Annahmeerklärung nicht fristgemäß abgibt.

Aus dieser Norm ergibt sich, dass es im Interesse der Beklagten lag, nach Zuteilungsreife den Bausparvertrag fortzusetzen und der Bausparer diesen regelmäßig bespart. Dass die nun eingetretene wirtschaftliche Veränderung, wonach der Kapitalzins ins „Bodenlose“ fiel, zu einer anderen Auslegung des Vertrages oder der Norm führen könnte, ist nicht ersichtlich. Letztlich sei noch anzufügen, dass die Beklagte in der Vergangenheit die Nichtannahme der Zuteilung, also das Unterlassen der Darlehensaufnahme, durch Zahlung eines erheblichen Bonuszinses honorierte.

Diese Auffassung ist im Übrigen auch in Einklang zu bringen mit der eingangs zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart vom 14.10.2011, worin ausgeführt wurde, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen dürfe, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entziehe (OLG Stgt. Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, RZ 10, zitiert nach Juris).

Das OLG Stuttgart sah das Kündigungsrecht der Bausparkasse allerdings nach § 488 Abs. 3 BGB dann als gegeben an, wenn die vereinbarte Bausparsumme vollständig erreicht ist. Vorliegend ist die Bausparsumme von 20.451,68 EUR zum Zeitpunkt der Kündigung am 12.01.2015 nicht gegeben gewesen, so dass die Bausparkasse nicht zur Kündigung berechtigt war.

Heranzuziehen für die Frage, ob ein materiell rechtlicher Kostenerstattungsanspruch eines in Anspruch genommenen hinsichtlich der für die außergerichtliche Abwehr des Anspruchs aufgewendeten Anwaltskosten bestehe, ist vielmehr die Entscheidung des BGH vom 12.12.2006 (Az: VI ZR 224/05 in NJW 2007, 1458 ff., zitiert nach Juris). Dort führt der BGH aus, dass der materielle Kostenerstattungsanspruch voraussetzt, dass eine materiell rechtliche Anspruchsgrundlage erfüllt sei. Dabei könne ein materiell rechtlicher Kostenerstattungsanspruch sich aus Vertrag, Verzug, positiver Vertragsverletzung, Culpa in Contrahendo oder Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. Delikt ergeben.

Nachdem die Beklagte ihren Anspruch auf Bestehen eines Kündigungsrechtes nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf mehrere landgerichtliche Urteile stützen kann, kann selbstredend nicht davon gesprochen werden, dass sie sich bei Ausübung der Kündigung einer positiven Vertragsverletzung schuldig gemacht habe. Wie der BGH ausführt, gehört es zum allgemeinen Lebensrisiko mit unberechtigten Ansprüche konfrontiert zu werden. Es gebe keinen generellen Kostenerstattungsanspruch gegen denjenigen, der sich unberechtigt eines Rechtes berühmt. Es müssten die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen. Diese, insbesondere § 280 BGB ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht gegeben. Ein materiell rechtlicher Kostenerstattungsanspruch des Klägers auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht nicht.

Gem. dem Beschluss des LG Stuttgart vom 29.05.2015 (AZ 12 O 150/15) richtet sich der Streitwert nach §§ 48 I GKG, 3, 9 ZPO. Es ist der 3,5-fache Wert des Jahresbetrags zuzüglich Bonuszins (hier 80%) zugrunde zu legen, abzüglich 20% (Feststellungsklage).