Wirksamkeit von Bearbeitungsentgelten in Unternehmerdarlehensverträgen

LG München I, Urteil v. 22.08.2014, 22 O 21794/13 (rechtskräftig)
Leitsatz:
1 Die Einräumung eines Kontokorrentkredits bzw. eines Avalkredits für einen kaufmännischen Gewerbebetrieb, insbesondere für ein Bauträgergeschäft, ist mehr als nur ein reflexhafter Nebeneffekt, sondern dient den existentiellen Geschäftsinteressen des Darlehensnehmers mindestens ebenso wie den Geschäftsinteressen der Bank. (redaktioneller Leitsatz)

Zum Sachverhalt:
Die Klägerin, eine Bauträgergesellschaft, verlangt von der beklagten Bank Rückzahlung von Bearbeitungsentgelten i.H. v. 31.500 € nebst Zinsen. Diese Entgelte waren beim Abschluss von Kontokorrent- und Avalkrediten vertraglich vereinbart und von der Klägerin gezahlt worden. Die streitgegenständliche Klausel lautet: „Für die Bereitstellung des Avals berechnet die Bank dem Kreditnehmer bis auf Weiteres eine Provision von 3,5 % p.a. vom jeweiligen Bürgschaft-/Garantievertrag, Bearbeitungsgebühr: 7.500 € ...“.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat schon nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass es sich bei den angegriffenen vertraglichen Regelungen zu den Bearbeitungsentgelten um AGB i.S. d. § 305 BGB handelt. Darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit derjenige, der sich auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft (BGHZ 118, 229, 238), vorliegend also die Klagepartei.

1.1 Prima facie ist zwar aufgrund der gedruckten Ausgestaltung der verwendeten Vertragstexte eine Absicht mehrfacher Verwendung durch die Beklagte anzunehmen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 305 Rz. 23 m.w. N.). Jedoch besteht insoweit allenfalls für die Erhebung von Bearbeitungsgebühren dem Grunde nach die Vermutung, dass es um sich AGB handelt, denn die konkrete Prozentzahl bzw. die konkrete Höhe der Beträge ist offengelassen und muss im Einzelfall in die jeweils hierfür in den Vertragsformularen vorgesehenen leeren Kästchen eingesetzt werden. So betrug denn auch das Bearbeitungsentgelt für den Kreditvertrag für Kontokorrentkredite 1 %, das für die Avalkreditverträge demgegenüber nur 0,5 %. Dies aber spricht für eine individuelle Vereinbarung der jeweiligen Entgelthöhe.

1.2 Die durchgeführte Beweisaufnahme hat nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die Bearbeitungsgebühren einseitig vom Mitarbeiter der Beklagten vorgegeben worden sind. ….

Insgesamt ist der Klagepartei somit nach Beweislastregeln der Nachweis nicht gelungen, dass es sich bei den angegriffenen vertraglichen Regelungen zu den Bearbeitungsentgelten überhaupt um AGB i.S. d. § 305 BGB handelt.

2. Selbst wenn man insoweit von AGB ausgehen wollte, sind die streitgegenständlichen Formularklauseln über die Erhebung von Bearbeitungsgebühren jedoch nicht gem. § 310 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 307 Abs. 1, 2 BGB unwirksam. In den Entscheidungen des BGH vom 13.5.2014 (XI ZR 170/13, ZIP 2014, 1369, dazu EWiR 2014, 439 (Bunte), und XI ZR 405/12, ZIP 2014, 1266, dazu EWiR 2014, 437 (Casper)) heißt es, Bearbeitungsentgelte in banküblicher Höhe von zuletzt bis zu 2 % seien zwar in der älteren Rechtsprechung des BGH (III ZR 156/77; III ZR 17/80, ZIP 1981, 839; III ZR 219/87, ZIP 1989, 903, dazu EWiR 1989, 753 (Vortmann); XI ZR 231/89, ZIP 1990, 848, dazu EWiR 1990, 767 (Westermann); III ZR 207/83, ZIP 1985, 673, dazu EWiR 1985, 371 (Mahler); XI ZR 242/91 und XI ZR 11/04, ZIP 2004, 2180, dazu EWiR 2005, 47 (Steiner)) ohne nähere Begründung unbeanstandet geblieben; soweit darin die Billigung formularmäßig erhobener Bearbeitungsentgelte in Verbraucherdarlehensverträgen zum Ausdruck kommen sollte, halte der Senat hieran für das in den §§ 488 ff. BGB normierte Darlehensrecht jedoch nicht fest. Diese Klauseln seien nämlich als kontrollfähige Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterworfen und hielten ihr nicht stand, weil die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts für die Bearbeitung eines Verbraucherdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei und die Kunden entgegen den Geboten von Treu und·Glauben unangemessen benachteilige, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB habe die Bank anfallende Kosten für die Kreditbearbeitung und -auszahlung durch den laufzeitabhängigen Zins zu decken, da der Aufwand für Tätigkeiten, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist, nicht auf den Kunden abgewälzt werden könne. So erfolge die Bearbeitung des Darlehensantrags und die damit verknüpfte Prüfung der Bonität des Kunden und die Bewertung der angebotenen Sicherheiten im Regelfall – wie sich auch aus § 18 Abs. 2 KWG ergebe – allein im Interesse des Kreditinstituts und im Interesse der Kreditwirtschaft, Forderungsausfälle zum Schutz der Einleger zu vermeiden. Die von der Bonitätsprüfung abhängige Festlegung der Vertragskonditionen sei ebenfalls weder vorrangig noch zumindest auch an den Interessen des Kunden ausgerichtet. Soweit die Bonitätsprüfung im Einzelfall bei günstigem Ergebnis zugleich dem Kunden zugute kommt, handle es sich lediglich um einen reflexhaften Nebeneffekt. Auch die Erfassung der Kundenwünsche und Kundendaten, die Führung von Vertragsgesprächen und Erbringung von über bloße Akquise- und Vorbereitungstätigkeit nicht hinausgehende Beratungsleistungen, sowie die Kapitalbeschaffung, die Überprüfung von Auszahlungsvoraussetzungen und Überwachung von Zins- und Tilgungsleistungen dienten allein dem eigenen Geschäftsinteresse der Bank an der Förderung und dem Ausbau der eigenen Geschäftstätigkeit. Zudem sei das Entgelt für die Gewährung der Möglichkeit der Kapitalnutzung nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB laufzeitabhängig ausgestaltet. Bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen seien dabei nicht geeignet, das laufzeitunabhängige Entgelt als angemessen erscheinen zu lassen. Maßgeblich gegen die Angemessenheit eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts in Verbraucherdarlehensverträgen spreche, dass hiermit nicht nur unerhebliche Nachteile für die Kunden bei der Vertragsabwicklung verbunden seien: So werde das Bearbeitungsentgelt üblicherweise mitkreditiert und damit mitfinanziert und somit verzinst, wobei der effektive Jahreszins bei nur kurzer Vertragslaufzeit beträchtlich ansteige.

Vorliegend handelt es sich indes schon nicht um einen Verbraucherkreditvertrag i.S. d. §§ 491 ff. BGB, da die Klägerin keine natürliche Person und damit kein Verbraucher i.S. d. § 13 BGB ist. Der BGH stellt jedoch ausdrücklich klar (ZIP 2014, 1266, Rz. 99), dass die Rechtskraft der Entscheidung auf die Unterlassung der angegriffenen Klausel gegenüber Verbrauchern beschränkt ist.

Die Argumentation des BGH kann auch nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall der Kreditierung eines Bauträgers übertragen werden. Zwar gilt § 488 BGB, auf dessen Leitbild der BGH abstellt, nicht nur beim Verbraucherdarlehen, sondern für alle Darlehensverträge. Auch dienen die vom BGH aufgezählten Tätigkeiten der Bank wie die Bonitätsprüfung, die Bewertung der angebotenen Sicherheiten, die Festlegung der Vertragskonditionen, die Erfassung der Kundenwünsche und Kundendaten, die Führung von Vertragsgesprächen und Erbringung von über bloße Akquise- und Vorbereitungstätigkeit nicht hinausgehende Beratungsleistungen, sowie die Kapitalbeschaffung, die·Überprüfung von Auszahlungsvoraussetzungen und Überwachung von Zins- und Tilgungsleistungen, nicht nur Verbrauchern, sondern allen Darlehensnehmern gegenüber primär dem eigenen Geschäftsinteresse der Bank an der Förderung und dem Ausbau der eigenen Geschäftstätigkeit.

Gem. § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB sind jedoch bei Verwendung von AGB gegenüber einem Unternehmer bei Anwendung der § 307 Abs. 1, 2 BGB die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche zu berücksichtigen. Danach ist die Einräumung eines Kontokorrentkredits bzw. eines Avalkredits aber für einen kaufmännischen Gewerbebetrieb, insbesondere für ein Bauträgergeschäft, mehr als nur ein reflexhafter Nebeneffekt, sondern dient den existentiellen Geschäftsinteressen des Darlehensnehmers mindestens ebenso wie den Geschäftsinteressen der Bank. So hat der Bauträger·in der Errichtungsphase Unternehmern und Subunternehmern Sicherungsbürgschaften zu stellen und sie nach Baufortschritt zu bezahlen, um eine rechtzeitige Fertigstellung zu erreichen, von der wiederum die Möglichkeit der Weiterveräußerung abhängt, die ihrerseits bestimmend ist dafür, ob die dem Bauträger eingeräumten (Kontokorrent-/bzw. Aval-)Kredite länger oder kürzer in Anspruch genommen werden müssen, was sich schließlich auf die Unkosten des Projekts und damit auf dessen Rentabilität und auf die Gewinnspanne des Bauträgers auswirkt. Andererseits hat der Bauträger Käufern Fertigstellungsbürgschaften zu stellen, deren Rückgabe von der rechtzeitigen oder verzögerten Beendigung des Bauvorhabens abhängt, was wiederum maßgeblich an den eingeschalteten Unternehmern und deren Bezahlung durch den Bauträger liegt. Diese Situation differiert aber eklatant von der Einräumung eines Verbraucherkredits zur Immobilienfinanzierung.

Auch das vom BGH angeführte Argument nicht nur unerheblicher Nachteile für die Kunden bei der Vertragsabwicklung, dadurch, dass das Bearbeitungsentgelt mitkreditiert und damit mitfinanziert und verzinst wird, wobei der effektive Jahreszins bei nur kurzer Vertragslaufzeit beträchtlich ansteigt, verfängt vorliegend nicht. Denn – wie die Klägerin selbst vorgetragen hat und wie von beiden Zeugen bestätigt wurde – die Klägerin hatte vorliegend ja ein Wahlrecht, ob sie eine höhere Bearbeitungsgebühr und dafür niedrigere Zinsen bezahlt oder umgekehrt. Damit hatte sie es aber aufgrund einer zumutbaren kaufmännischen Risikoeinschätzung der Bürgschaftsrückgabe in der Hand, die Höhe des effektiven Jahreszinses zumindest mit zu beeinflussen.

Die Klage war daher abzuweisen.